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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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schon falsch? Weil nichts gewaschen werden kann, wo nichts ist?

ZEHNTER TAG
    Der zehnte Tag ist ein guter Tag, ein letzter. Ab 4.30 Uhr bin ich beflügelt. Gleichmut will mir nicht eine Sekunde gelingen. Dafür Freude in allen Herzkammern. Ja, Vorfreude auf jede Stunde bis Mitternacht. Denn Ideen trudeln, Einfälle, Pläne. Ich will bei jedem Atemzug anwesend sein. Aber mein Kopf wird streunen, so vieles stürmt auf ihn ein.
    Als der kanadische Sänger und Poet Leonard Cohen seinen Aufenthalt in einem kalifornischen Zenkloster beendet hatte, schrieb er das Gedicht »Abschied von Mount Baldy«. Dort stand seine Hütte. Man liest es mit Genugtuung: »… Es dauerte, bis ich endlich begriff / wie unbegabt ich bin in spirituellen Dingen. (…) Nicht wenige / darunter Leute mit Praxis / fingen an, mich auszufragen / und schienen böse zu sein / Ich schätze / sie sehen nicht gern / wenn der alte Jikan eine raucht.«
    Jikan, der Stille, war sein Mönchsname. Cohen hat drei weise Dinge notiert: dass sich seine Begabung für Spiritualität in Grenzen hält (trotz der Faszination, die Meditation auf ihn ausübt). Dass er keine Antworten auf letzte Fragen hat (obwohl andere das jetzt von ihm erwarten). Und dass er sich nicht zum närrischen Gesundheitsapostel gewandelt hat (sondern weiter an den Sünden der Welt teilhaben will). Wie erfrischend wahr und unprätentiös. Kein Erleuchtungs-Gehabe, kein über die »letzte Schau aller Dinge« schnöselnder Schüler, keine Heilsverkündung vor versammelter Fangemeinde. Just cool.
    Es soll mir ergehen wie dem Alten. Aushalten, dass man nichts weiß. Lieber staunen. Auch auf die Gefahr hin, dass man jeden Tag inniger staunt. Da einen täglich mehr Rätselhaftigkeiten überfordern. Aber Staunen klingt aufregender als Auswendiglernen höchstheiliger Ladenhüter. Vipassana soll wie ein Herzschrittmacher darüber wachen, dass ich nicht schwächle. Und mich tot sein lassen, wenn es soweit ist. Lieber nicht sein als doof sein.
    Um neun Uhr fordert uns Goenka zur Metta Bhavana Meditation auf. Nur »loving kindness« – so übersetzt er die beiden Paliwörter – soll von uns ausgehen. Liebende Freundlichkeit, ja, liebende Güte für jeden in unserem Leben, jeden Freund, jeden Feind. Das scheint die mustergültigste Prüfung, um umweglos ins Nibbana zu fahren. Natürlich kann ich nicht – auch nicht am zehnten Tag – ab sofort allen Niederträchtigen, deren Niedertracht ich kennenlernen durfte, mit Herzenswärme begegnen. (So wenig wie sie mir, so ist zu vermuten, meine Niederträchtigkeiten vergeben.) Aber ich kann ein paar Fälle abheften, abschreiben, weder mit Hass noch mit Erbitterung an sie denken. Sie loslassen. Auf dass sie mein Denken und Fühlen nicht weiter wie toxischen Sperrmüll vergiften. Das scheint ein akzeptabler Kompromiss.
    Über eine Stunde dauert die Meditation und der Teufel will mich zuletzt ernüchtern. Indem er mich an meine kleine Seele erinnert, die man nicht überfordern darf. Er lässt eine Erinnerung wach werden, die mir zeigen soll, was ein Mensch mit einem anderen Format vermag: Ich sehe eine Zeitungsseite vor mir, auf der die Meldung stand, dass die jordanische Regierung beschlossen hatte, eine Million Koranausgaben zu drucken. Um sie anschließend weltweit zu verschicken. Die Nachricht ist keine Zeile wert, denn kaum jemand würde einen Zusammenhang zwischen Religion und Nachsicht herstellen. Der Clou war ein Foto, zwei Fingerbreit daneben. Auf dem sah man Nelson Mandela seine Frau Graca Machel küssen. Ich weiß nicht, ob das Layout bewusst so gestaltet wurde. Auf jeden Fall war die Provokation gelungen. Hier die bornierte Doktrin, dort ein Mann, der vergeben konnte wie nicht viele. Und eine Frau küsste. Warum kann ich nicht wenigstens eine Woche lang als Mister Mandela unterwegs sein? Wäre das nicht eine großartige Errungenschaft, sich den Charakter eines Heldenhaften auszuleihen? Um zumindest für kurze Zeit ein Gefühl dafür zu bekommen, wie anders man mit der Welt und den Weltbewohnern umgehen könnte?
    Aber ich wachse tatsächlich über mich hinaus. Ich segne den Wahnsinnigen neben mir, der nach einer Nasenrotz-Attacke und einer Husten-Attacke nun per Nies-Attacke seine Bazillenarmee mit mir teilt. Rückhaltlos teilt. Vollkommen mysteriös bleibt der Umstand, dass der junge Kerl im Freien, in den Pausen, still wie ein Stein ist. Kein Laut. Nur Krach macht, wenn er meditiert. Was will uns sein Unterbewusstsein damit sagen?
    Genau um 10.10 Uhr

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