Trigger - Dorn, W: Trigger
die raue Hauswand. »Was haste hier zu suchen?«
Mit aller Kraft trat Ellen nach hinten aus und traf dabei seinen Oberschenkel. Eigentlich hatte sie es auf eine andere Stelle abgesehen, aber vor Schmerz war sie nicht gelenkig genug dafür. Dennoch erzielte ihr Tritt die gewünschte Wirkung. Janov stöhnte und taumelte rückwärts. Ellen rannte auf die Gartentür zu, doch kaum hatte sie sie erreicht, als sie die beiden Halbstarken aus dem Auto erkannte. Sie versperrten ihr den Weg.
»Lasst mich durch!«
Sie erntete nur ein hämisches Grinsen.
»He, Eddi, können wir danach auch mal?«, fragte der eine.
Erschrocken fuhr sie herum und sah gerade noch, wie Janov, der sich erstaunlich schnell von ihrem Tritt erholt hatte, auf sie zukam, ehe sie einen Faustschlag in den Magen erhielt. Ihr blieb keine Gelegenheit mehr auszuweichen. Sie klappte wie ein Taschenmesser zusammen und sank keuchend auf die Knie.
»Verpisst euch«, hörte sie Janov hinter sich. »Wenn ich mit der fertig bin, will die sowieso keiner mehr.«
Ellen schmeckte Blut und versuchte verzweifelt aufzustehen – unmöglich. Weder ihre Arme noch ihre Beine wollten ihr gehorchen.
Wieder packte Janov sie an den Haaren und zog ihren Kopf zurück. »Also, du Schlampe. Was willste von mir, hä? Für wen schnüffelst du hier rum?«
Ellen sah in Richtung der beiden jungen Männer. »Hilfe«, stöhnte sie.
»Viel Spaß noch«, meinte der eine, gab seinem Kumpel einen Klaps auf die Schulter, und dann gingen sie zu ihrem Auto zurück.
»Red endlich!«, brüllte Janov gegen den aufheulenden Motor an.
»Lassen Sie mich los«, brachte Ellen hervor.
Janov dachte gar nicht daran. Stattdessen packte er ihren Schopf noch fester und griff mit der anderen Hand nach dem Kragen ihres T-Shirts. Stoff riss. Ellen sprang auf, holte dabei die Dose Pfefferspray aus der Jackentasche und drückte den Auslöser, noch bevor sie Janovs Gesicht erreicht hatte.
Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete sie, die Dose in die falsche Richtung zu halten und den Reizstoff vielleicht nur seitwärts oder gar auf sich selbst zu sprühen. Doch sie traf. Sofort ließ Janov von ihr ab.
Die Hände vors Gesicht geschlagen, taumelte er umher und schrie wie ein Irrsinniger. Er sah aus wie ein Tanzbär in einer Zirkusnummer und fuchtelte wild mit den Armen, während die Tränen nur so über sein schmerzverzerrtes Gesicht flossen. Gleich hinter ihm erkannte Ellen seine Frau.
Wie lange Silvia Janov der Szene tatenlos zugesehen hatte, war schwer zu sagen, doch nun kam Leben in ihr Gesicht.
Sie hob eine leere Bierflasche auf, die im Gras lag, ging zu ihrem Mann und zerschlug sie ohne zu zögern auf seinem Kopf.
Janov ging zu Boden. Zwar war er weiterhin bei Bewusstsein, aber aus seinen Schreien war nun ein schwaches Wimmern geworden, das hinter seinen vorgehaltenen Händen irgendwie merkwürdig klang.
Ellen sah den dunklen Fleck, der sich in seinem wirren Haar bildete. Die Platzwunde muss schnellstens genäht werden, dachte die Ärztin in ihr, doch die Kämpferin meinte nur: Scheiß drauf.
Silvia Janov stand über ihrem Mann, der heulend am Boden hin und her rollte. Sie hielt den abgebrochenen Flaschenhals noch immer in der Hand und lächelte auf seltsam zufriedene Art.
»Schnell«, sagte Ellen. »Wir brauchen Öl und Wasser, um ihm das Zeug abzuwaschen.«
»Das mach ich dann schon«, meinte die Frau und warf den Flaschenhals ins Gras. »Hau jetzt endlich ab.«
»Soll ich den Notarzt …«
»Geh endlich!«
»Also gut.« Ellen zuckte mit den Schultern.
»Tut gut, wenn der Drecksack auch mal eins auf die Fresse kriegt.«
Ellen war sich nicht sicher, ob Silvia Janov tatsächlich mit ihr sprach oder eher ein Selbstgespräch führte.
»Warum trennen Sie sich nicht von ihm?«
Diesmal sah Silvia Janov sie direkt an, und alle Unsicherheit und Angst war aus ihren Augen gewichen.
»Spinnst du? Ich, den Eddi verlassen? Niemals! Ich lieb ihn doch.«
Kapitel 21
Es gab zwei Gründe, warum Thomas Thieminger, seines Zeichens Rezeptionist des Hotelgasthofs Jordan, bei Ellen auf Vorauszahlung bestand. Zwei Gründe, die ihm deutlich ins Gesicht geschrieben standen.
Zum einen war es zwei Uhr morgens, und sie führte kein Gepäck mit sich. Frauen, die sich nachts ohne Koffer – oder wenigstens einer Tasche – nach einem Zimmer erkundigten, mussten jedem Hotelportier suspekt erscheinen.
Grund Nummer zwei war jedoch weit schwerwiegender. Sie sah schrecklich ramponiert aus. Ihre Wange war
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