Trigger - Dorn, W: Trigger
hatten. Sie hatte Angst. Pure, nackte Angst. Und sie fühlte sich einsamer denn je. Warum musste Chris ausgerechnet jetzt auf dieser Insel sitzen, wo sie ihn nicht einmal anrufen konnte? Sie hätte so gern seine Stimme gehört. Wenigstens das.
Seit sie ihr Zimmer betreten hatte, musste sie an die Frau ohne Namen denken, die sich bei ihrem zweiten Treffen in der Toilettenkabine verkrochen hatte. Nun ging es Ellen selbst nicht anders. Sie stand in dem kleinen Bad eines Hotelzimmers und hatte sogar zusätzlich die Badezimmertür abgeschlossen. Und das alles, weil sie sich wegen eines Psychopathen nicht mehr in ihre Wohnung traute. Nicht nach allem, was geschehen war. Nicht, nachdem sie zum zweiten Mal innerhalb eines einzigen Tages hatte erfahren müssen, wie es war, körperlich unterlegen zu sein.
Dieser Verrückte musste sie absichtlich zu ausgerechnet diesem Haus geschickt haben. Wahrscheinlich war auch ihm der große rote Briefkasten aufgefallen, als er sie heimlich beobachtet hatte. Er hatte ihr den Schlüssel hinterlassen, weil er davon ausgehen konnte, dass sie sich über kurz oder lang an den Briefkasten erinnern würde.
Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Bist ja auch ein echter Blickfang, höhnte seine elektronisch verzerrte Handystimme in ihrer Erinnerung.
Vielleicht hatte er mitbekommen, was für ein Typ
Mensch dieser Janov war – und dass Ellen für einen kurzen Moment sogar geglaubt hatte, Janov sei der Schwarze Mann. Vielleicht hatte sich sein krankes Hirn vorgestellt, was für einen Spaß er haben würde, wenn er aus sicherer Entfernung zusah, wie sie von diesem Gewalttäter verprügelt wurde.
Er musste in der Nähe gewesen sein, daran bestand für Ellen kein Zweifel. Nur so konnte er sichergehen, dass sie tatsächlich den Briefkasten finden und die Nachricht erhalten würde. Dass Janov durch den Aufbruch des Kastens auf sie aufmerksam wurde, musste ein weiterer Teil seines irren Spiels gewesen sein. Ja, es war sogar denkbar, dass er Janov angerufen und ihm einen anonymen Tipp gegeben hatte. So einfach war das.
Nachdem Ellen sich ausgiebig geduscht und verarztet hatte, nahm sie die Visitenkarte vom Tisch und legte sich aufs Bett.
Dass es sich bei der Karte tatsächlich um eine Nachricht des Entführers handelte, stand ebenfalls außer Zweifel. Abgesehen von den Blutflecken auf dem weißen Stück Kartonpapier, die sicherlich von Sigmund stammten, war Ellens Name über die eingeprägte Adresse gekritzelt worden – in derselben krakeligen Handschrift wie auf dem Schlüsselanhänger. Sie las:
ANTIQUARIAT A. ESCHENBERG
Öffnungszeiten: Mo. – Fr. 10:00 bis 18:00 Uhr
Darunter standen Adresse und Telefonnummer. Die letzten Ziffern waren jedoch durch Sigmunds Blut nicht mehr zu erkennen.
Was sollte sie dort? Wieso schickte sie der Kerl zu einem Antiquariat? War er vielleicht selbst dieser A. Eschenberg?
Sie war zu müde und erschöpft, um sich jetzt noch darüber Gedanken zu machen. Auch tobten die Kopfschmerzen immer stärker in ihren Schläfen.
Sie brauchte ein paar Stunden Schlaf und dann ein kräftiges Frühstück. Himmel, wie lange hatte sie eigentlich schon nichts mehr gegessen? Egal, zuerst Schlaf, dann Nahrung und vor allem starker Kaffee. Danach würde es ihr wieder besser gehen.
Sie legte die Karte auf die Ablage neben dem Bett. Allmählich zeigte das Sedativum seine Wirkung. Doch als sie nach dem Lichtschalter griff, zögerte sie. Ein Teil von ihr bestand darauf, das Licht allenfalls ein wenig zu dimmen.
Auf keinen Fall Dunkelheit!
Also gut. Sie dimmte das Licht gerade so weit herunter, dass sie schlafen konnte, es aber hell genug blieb, um noch alles im Raum gut genug erkennen zu können. Wenigstens darin unterschied sie sich noch von der Frau ohne Namen, die sich in ein abgedunkeltes Zimmer verkrochen hatte.
Gerade als sie sich wieder hinlegen und die Augen schließen wollte, fiel ihr das Einwickelpapier eines Stückchens Schokolade auf, wie man es oft auf Kissen in Hotelzimmern vorfindet. Das Betthupferl, sozusagen.
Es lag auf dem Veloursteppich neben dem Bett. Wahrscheinlich hatte eines der Zimmermädchen der süßen Versuchung nicht widerstehen können.
Schade, dachte Ellen und griff nach dem lila Papierstück. Im selben Moment schoss eine Hand unter dem Bett hervor und packte ihr Handgelenk.
Sofort war Ellen hellwach. In einer einzigen Bewegung sprang sie aus dem Bett und riss dabei ihre Hand aus dem Griff frei. Es ging so schnell, dass sie nicht einmal sicher war,
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