Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
Vom Netzwerk:
feige!
     
    Ein Summen wie von einem Bienenschwarm.
    Ellen schlug die Augen auf. Grelles Licht blendete sie. Es schien von fünf Sonnen zu stammen, die dicht über ihrem Gesicht zu einem Kreis verschmolzen.
    Nein, keine Sonnen, es sind Lampen. Sie gehören zu einer Lampe. Einer OP-Lampe!
    Schlagartig wurde ihr klar, wo sie sich befand und was geschehen war. Die Benommenheit und das pelzige Gefühl in ihrem Mund waren Folgen des Ethers. Ihre Kopfschmerzen
waren unerträglich geworden. Sie schienen ihren Kopf explodieren lassen zu wollen.
    Mit jedem Moment, den Ellens Geist klarer wurde, nahm die Übelkeit zu.
    Wenn ich mich übergeben muss, darf ich nicht auf dem Rücken liegen, dachte sie und versuchte, sich aufzurichten.
    Doch sie konnte sich weder erbrechen noch bewegen. Ihre Arme und Beine waren an die Tischplatte gegurtet, ein weiterer dicker Riemen spannte sich über die Rippenbögen unterhalb ihrer Brüste.
    Ich bin gefangen! O mein Gott, ich bin ihm ausgeliefert!
    So gut es ging, hob sie den Kopf. Nur einen knappen Meter von ihr entfernt saß ein Mann mit nacktem Oberkörper auf einem Drehhocker. Er trug eine Skimaske, die nur Augen und Mund freigab. Eine sogenannte Balaklava, wie Ellen einmal gelesen hatte. Sein schwarzer Sweater lag neben Ellens nackten Beinen auf der glänzenden Stahlplatte.
    Zuerst schien er sie gar nicht zu bemerken. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Schnittwunde an seiner linken Schulter zu nähen. Dabei schien er sich vollkommen unter Kontrolle zu haben. Seine Hand mit der Nadel zögerte nicht ein einziges Mal, als er in die Haut neben der Wunde einstach und den Faden durchzog. Die Art und Weise, wie er dabei vorging, war alles andere als professionell. Es war ein regelrechtes Flickwerk, so als würde er schnell zwei Lederstücke aneinandernähen.
    Dann bemerkte er, dass Ellen wach war. Er sah sie kurz an, und Ellen konnte den Schweiß erkennen, der ihm über die Brauen rann.
    Wenigstens hast auch du Schmerzen, du Scheißkerl!, dachte
sie, und dann meldete sich die emotionslose, rationale Seite in ihr zu Wort: Siehst du seine Augen? Diese Augenbrauen? Schau genau hin. Das ist nicht Mark, und es ist auch nicht Chris!
    Doch ihre Angst war viel zu groß, um sich aufgrund dieser Feststellung erleichtert zu fühlen. Was half ihr dieses Wissen jetzt? Ganz gleich, wer er war, sie war ihm ausgeliefert. Dieser Irre konnte nun mit ihr tun und lassen, was er wollte. Sie konnte sich ja kaum rühren, und an Gegenwehr brauchte sie gar nicht mal zu denken. Die Riemen hielten sie unerbittlich fest.
    Entsetzen und panische Angst tobten in ihr, wurden zu hilfloser Wut.
    »Mach mich los!«
    Der Mann legte kurz den Kopf schief und betrachtete sie, als sei sie ein Insekt, das einem Forscher in die Falle gegangen war. Dann wandte er sich ungerührt wieder seiner Wunde zu und nähte weiter.
    Ellen ließ den Kopf zurück auf die kalte Stahlplatte sinken. Sie trug nur Unterwäsche und fror erbärmlich. Jeder Pulsschlag in ihren Schläfen kam ihr vor, als hämmere jemand Pfennignägel in ihren Schädel.
    Als sie den Kopf erneut hob, sah sie die Frau ohne Namen, die noch immer neben dem Regal am Boden kauerte. Ihr Mund war mit frischem Blut verschmiert, und nun erkannte Ellen, woher die Wunden auf ihren Handrücken stammten. Sie biss sich selbst immer wieder in die dünne Haut.
    Während ihrer Zeit auf Station 9 hatte Ellen mehrmals mit Menschen zu tun gehabt – vorrangig mit Frauen -, die sich selbst verletzten. Ellen hatte schon einige schlimme
Wunden von Leuten behandeln müssen, die sich für Versager hielten oder sich die Schuld an schlimmen Ereignissen gaben. Handflächen, die auf glühende Herdplatten gepresst worden waren, um für eine Fehlgeburt zu sühnen. Auf Rauputz wund geriebene Wangen als Strafe dafür, dass der Ehegatte fremdging, weil man so hässlich war.
    Andere verletzten sich, um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren, kämpften gegen ihre Halluzinationen an, indem sie sich mit Nadeln in die Schenkel stachen oder sich die Arme mit Rasierklingen zerschnitten. Schmerz ist eines der wenigen Gefühle, die eindeutig der Realität zugeordnet werden können. Wer körperlichen Schmerz empfindet, befindet sich auch im Jetzt und Hier.
    Ellen wusste nicht, ob sich diese Frau darüber bewusst war oder sich mehr aus einer Art Instinkt heraus die Handrücken zerbiss. Sie vermutete jedoch Letzteres. Vor allem wegen der Melodie, die die Frau ohne Namen dabei summte:
    Wer hat Angst vorm

Weitere Kostenlose Bücher