Trigger - Dorn, W: Trigger
du willst dich in das Datenarchiv sämtlicher Einwohnermeldeämter in Deutschland hacken? Mit Verlaub gesagt, das ergibt doch keinen Sinn. Selbst wenn dir das gelingen sollte, wie willst du dann diese Frau nur anhand ihres Phantombildes finden?«
Volker trank seinen Kaffee aus und schenkte sich nach. »Was die erste Frage betrifft, ist das gar nicht so schwierig, wie es sich anhören mag. Wir Deutsche sind doch geradezu versessen auf Normen. Das gilt auch für einheitliche Software und Übertragungssysteme. Man muss nur gegen den Datenfluss zur Bundesdruckerei schwimmen,
und schwupps«, er schnippte mit den Fingern, »befindet man sich auf den Servern der Ämter. Und was die Sache mit dem Foto betrifft: Gebt mir ein paar Minuten Zeit, und ich zeige es euch.«
Als Mark wenig später aus der Küche zurückkam und Ellen eine weitere Tasse Brühe reichte, sah Volker zufrieden von seinem Laptop auf.
»Heureka.« Er streckte die Arme in die Höhe. Die vergangenen Minuten hatte er wie ein Besessener auf seine Tastatur eingehämmert; nun ließ er die gefalteten Finger knacken. »Ladies and Gentlemen, wie sagte schon Hannibal Lecter: Bereit, wenn Sie es sind.«
Ellen und Mark traten hinter ihn und sahen auf den Bildschirm.
»Es ist immer gut, wenn man Freunde hat, die rund um die Uhr online sind. Vor allem im Zeitalter der schnellen Informationsbeschaffung.« Volker deutete auf eine Zahlenreihe, die über den schwarzen Bildschirmhintergrund wanderte. »Was wir jetzt tun, ist selbstverständlich alles andere als legal. Aber keine Sorge, ich leite meine Anfrage über einen Server in Malaysia, und der ist wiederum verbunden mit …«
»Tu, was du für richtig hältst«, unterbrach ihn Mark. »Nur sorg dafür, dass ich nicht in zehn Minuten irgendeine Organisation mit drei Buchstaben vor der Tür stehen habe.«
»Logisch.« Volker gab einen Befehl ein und eine Meldung erschien: FACE-EXPLORER 3.01 STARTED.
Ein Programm öffnete sich, dessen Oberfläche in zwei Hälften aufgeteilt war. In der Linken war das Phantombild zu sehen, rechts davon lief eine rasche Folge von Zahlen
und Buchstaben durch ein Fenster mit der Überschrift SEEKING PROCESS.
»Wow«, machte Mark und trat noch dichter an den Monitor.
»Ja, ist wirklich flott, die neue Version«, bestätigte Volker.
Auf Ellen wirkten die beiden wie Kinder. Wie zwei kleine Jungs, die das tollste Spielzeug der Welt entdeckt haben.
»Was ist das für ein Programm?«, wollte sie wissen.
»Damit kann man einen Bilderabgleich durchführen. Es vergleicht die Gesichtsform der gesuchten Frau mit denen auf den Fotos in den Datenbanken und sucht nach Übereinstimmungen in der Gesichtsgeometrie. Dabei ist es so schlau, diejenigen Punkte zu übergehen, die einen menschlichen Beobachter irritieren könnten. Zum Beispiel eine Brille, die Frisur, Alterserscheinungen oder, was in unserem Fall jetzt keine Rolle spielen dürfte, einen Bart. Wenn es klappt, müssten wir ziemlich bald wissen, wer die Gute ist und unter welcher Adresse sie zuletzt gemeldet war.«
»Und dieses Programm funktioniert wirklich?«
Volker sah sie nachsichtig an. »Falls nicht, können die Amis ihre Passkontrollen durch biometrische Daten einmotten lassen, zumindest was die Gesichtserkennung betrifft. Ursprünglich war dieses Programm eine Testversion für eines der Kontrollgeräte, das per Kamera die Gesichtskonturen von Personen mit denen auf ihren Passbildern vergleicht. Zu Beginn waren die Fehlerquoten noch ziemlich hoch, aber inzwischen läuft das Ganze recht zuverlässig.«
»Ursprünglich? Und was ist das Programm jetzt?«
Volker räusperte sich. »Na ja, ein Freund von mir hat es ein wenig modifiziert.«
»Und wofür?«
»Ähm, okay.« Volker wechselte einen schnellen Blick mit Mark und schaute dann wieder auf seinen Monitor, ohne Ellen anzusehen. »Tja, das war so: Jemand hat ihm gesteckt, dass seine Freundin bei irgendeinem Typen ihr Taschengeld mit Nacktfotos für eine Homepage aufgebessert hatte. Also hat er sein Programm mit ihrem Passfoto gefüttert und das Web durchsucht.«
»Hat er sie gefunden?«
Wieder musste sich Volker räuspern. »Sagen wir mal so: Es hat zwar eine Weile gedauert, aber jetzt hat er wieder sehr viel Zeit fürs Hacken.«
Während Volker sich weiter mit dem Programm beschäftigte, ging Ellen in Marks Küche und brühte sich eine dritte Tasse Hühnerbrühe Classic auf.
Danach lehnte sie sich gegen die Küchenzeile und sah über den Tassenrand in den Garten hinaus.
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