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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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und kam mit frischen Handtüchern zurück. Dabei wirkte er rührend fürsorglich. Wie eine Glucke, dachte Ellen und musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
    »Der Wäschetrockner müsste mittlerweile auch fertig sein. Ich lege dir deine Klamotten vor die Badtür. Und bis
ihr beiden fertig seid, organisiere ich für uns alle etwas Essbares.«
    »Für mich mit Sardellen und Oliven«, murmelte Volker, während er in die Tastatur klopfte. »Thunfisch tut’s auch.«
    »Also gut«, sagte Ellen. »Dann eben Pizza.«

Kapitel 33
    Der Anblick der Badewanne trieb Ellen Schweißperlen auf die Stirn. Für einen Moment glaubte sie, sich zu täuschen, aber ja doch, sie zitterte tatsächlich am ganzen Körper.
    Diesmal lag es aber nicht an der Kälte. Marks Badezimmer war nicht allzu groß, und der Heizkörper verbreitete auf höchster Stufe wohlige Wärme.
    Ja, sie zitterte, als sie die Handtücher und die frische Wäsche auf dem Toilettendeckel ablegte, und sie konnte es nicht in den Griff bekommen.
    Ganz gleich, wie sehr sie sich auch ins Bewusstsein rief, dass es keinen Grund dafür gab. Dass sie in Sicherheit war.
    In ihrer Biografie hatte die Schauspielerin Janet Leigh geschrieben, sie habe sich nach den Dreharbeiten zu Hitchcocks Psycho, in der sie das Mordopfer unter der Dusche spielte, jahrelang nicht mehr zu duschen getraut und stattdessen die Badewanne bevorzugt. Das Buch war etwa drei Jahrzehnte nach der Premiere des Films auf den Markt gekommen, so dass sich Ellen beim Lesen sicher sein konnte,
dass die Frau das nicht aus Gründen der Publicity behauptet hatte.
    Wenn also jemand schon allein nach dem Spielen einer solchen Szene ein Trauma davontragen konnte, war es doch nur zu natürlich, dass jemand, der vor ein paar Stunden knapp davor gewesen war, tatsächlich unter dem Deckel einer Therapiewanne zu ertrinken, jetzt beim Anblick einer gewöhnlichen Badewanne zitterte.
    Auch wenn dies ein nettes kleines Badezimmer mit einem Palmenstrandfoto über der Wanne war und kein ehemaliger Hydrotherapieraum.
    Auch wenn es weit und breit nichts gab, was nur annähernd einem Wannendeckel aus schwerem Holz mit Metallspangen und einer Gesichtsöffnung ähnelte.
    All dies versuchte sie sich klarzumachen, um gegen das Panikgefühl anzukämpfen, das ihr die Luft abzuschnüren drohte, solange das Trauma sozusagen noch frisch war. Und sie wollte diesem Trauma keine Gelegenheit geben, langfristige Schäden zu hinterlassen.
    Also konzentrierte sie sich auf das, was sie vor sich hatte: Das ist eine Badewanne. Das ist Marks Badezimmer. Das ist sein Badeöl, das sein Handtuch … Das die abgesperrte Tür.
    Niemand kann mir hier etwas anhaben. Nicht einmal der Schwarze Mann.
    Dennoch musste sie sich die Ohren zuhalten, während das Wasser einlief.
    Einsamkeit.
    Ein weiteres Stück des Weges führt sie durch eine kalte Nacht im Wald. Irgendwo ruft ein Käuzchen. Der Widerhall seines Rufs macht ihr Angst.

    Sie hört Gehölz unter ihren nackten Füßen knacken, kann einige Kieselsteine dazwischen sehen, doch sie spürt weder das Holz noch die Steine oder die Tannennadeln, die in ihre Fußsohlen pieken.
    Wo ist Bormann? Müsste er mir nicht erklären, es sei nur ein weiterer Traum?
    Sie will ihn rufen, doch es ist nicht möglich. Alles, was sie zustande bringt, ist ein dumpfer Laut, und als sie ihr Gesicht betastet, stellt sie mit Entsetzen fest, dass sie keinen Mund hat. Dort, wo sich sonst die Lippen befinden, spannt sich glatte, straffe Haut, durch die sie ihre Zähne und die Zunge spüren kann.
    Ein Traum, es ist ein Traum!, ruft sie sich in Erinnerung, doch das Entsetzen bleibt.
    Ängstlich sieht sie sich um. Warum ist sie hier, warum in diesem dunklen, kalten Wald?
    Über ihr prangt die schmale Sichel des Mondes am sternenklaren Himmel. Ihr silberner Schein fällt schwach auf eine Lichtung. Vor dem nachtblauen Himmel verschmelzen die Silhouetten eines Hauses und mehrerer Stallungen mit dem Schwarz der angrenzenden Tannenwipfel.
    Schon von Weitem sieht sie den Mann mit der Fackel. Seine andere Hand hält krampfhaft die Reste eines Seils. Im Feuerschein ist das schmutzige Grau der Steine zu erkennen, aus denen der Hof vor vielen Jahrzehnten erbaut wurde.
    Der Mann sieht in ihre Richtung, als sie auf ihn zugeht. Sein Gesicht ist rußverschmiert, alt und faltig, und schrecklich verzerrt. Sie sieht seine Verzweiflung, seine Ratlosigkeit und die Wut, die diese Ratlosigkeit in ihm auslöst.
    Hinter ihm hämmern kleine Fäuste gegen das Fenster.

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