Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Verkehr wurde dichter und Marusha starrte mit offenem Mund auf die Neonreklame, die immer mehr wurde, je näher sie dem Stadtzentrum kamen. In ihrem neuen Outfit sah sie wirklich hinreißend aus und Sherban beglückwünschte sich zum wiederholten Mal für seinen guten Instinkt, als er ihr Foto gesehen hatte. Sie hatte zwar noch immer die selbst gemachte Gucci-Tasche auf ihrem Schoß, aber er wollte nichts überstürzen, wollte sie zunächst nicht sofort und ganz und unwiderruflich von ihrer Vergangenheit trennen. Unauffällig wischte er sich die rechte Hand an der Innenseite seiner Jeans ab, dort, wo ihm Marusha so überschwänglich den Handrücken geküsst hatte.
„Danke, danke! Sie sind so gut zu mir! Ich gebe mein Bestes!“, hatte sie mit Tränen in den Augen ausgerufen, als sie in den nagelneuen Designerklamotten wieder ins Auto stieg.
Hoffentlich hält sie auch Wort und gibt tatsächlich ihr Bestes, wenn es darauf ankommt!, dachte Sherban.
Mit einer leicht angewiderten Miene hatte er ihr mit spitzen Fingern ein Taschentuch gereicht, damit sie ihre Tränen trocknen konnte und den Rest der Fahrt hatten sie schweigend verbracht.
Dann waren sie angekommen und Marusha war ein wenig verwirrt gewesen, als sie die leeren Geschäftsflächen und die kaputte Rolltreppe in der Passage gesehen hatte. Doch als sie oben aus dem Lift stieg und die Lichter von Bratislava durch die Panoramafenster strahlten, war alles wieder vergessen. Aufgeregt wies sie auf das Firmenschild, sprang in die Luft und klatschte vor Freude in die Hände. Dann strich sie ehrfurchtsvoll über die aufgeklebte Folie: eine weinende Kitschmadonna, darunter in geschwungenen Buchstaben der Firmenname: Madonna Models.
Dass irgendjemand der Madonna die Augen ausgekratzt hatte, bemerkte sie in ihrer Euphorie nicht.
7. Ein Taubenmann verzaubert
„Ich will einfach davonfliegen, genau wie sie!“ Mit den Zähnen öffnete Jimmy den Sack mit dem Vogelfutter, schüttete vorsichtig eine Handvoll Körner in die bunten Schälchen, die mit kleinen Haken an dem Maschendraht befestigt waren. Dann schlurfte er bis an den Rand des Flachdachs, streckte die Arme waagrecht zur Seite.
„Wäre schön, wenn ich so durch die Luft kreisen könnte wie deine Tauben!“
Hinter sich hörte Jimmy die beruhigende Stimme von Phil, die sich mit dem leisen Gurren der Tauben zu einer entspannten Soundcollage vermischte: „Fliegen ist nicht so wichtig. Du musst sie erziehen, dass sie immer wieder zurückkommen, immer bei dir bleiben. Sie müssen wissen, wo ihr Zuhause ist.“
Wie immer trug Phil seinen schmutzstarrenden Mantel und stank durchdringend nach Pisse und Schnaps. Doch daran hatte sich Jimmy schon gewöhnt und wenn er Phil bei der Arbeit zusehen konnte, war er glücklich. In Momenten wie diesem, wenn seine Gedanken grenzenlos wie die schwerelosen Taubenfedern durch die Luft segelten, hatte Jimmy kein schlechtes Gewissen. Er war zwar drei Tage hintereinander nicht in der Schule gewesen und wenn seine Mutter dahinterkam, dann gab es hundertprozentig einen Riesenkrach. Doch Phil und die Tauben waren wichtiger und schließlich war Jimmy ja schon dreizehn Jahre alt und konnte durchaus selbst entscheiden, was wichtig für ihn war und was nicht. Und jeden Tag die langweilige Schulbank zu drücken, war definitiv nicht wichtig!
Da fühlte er sich hier oben auf dem Dach des leer stehenden ehemaligen Logistik-Centers in der Industriezeile am Hafen schon bedeutend wohler. Die rostigen Eisenlamellen der seit Jahren nicht mehr benutzten Klimaanlagen klapperten und ächzten und die aus grobem Holz gezimmerten Verschläge für die Tauben schwankten bedenklich im kalten Wind. Eigentlich nicht sehr
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