Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Dunkelheit einfach auf das Sofa fallen. Die weißen Lichtkegel der Scheinwerfer, die vom Zubringer zur nahe gelegenen Stadtautobahn in sein Wohnzimmer leuchteten, vollführten ein gespenstisches Ballett auf den Schallplatten-Regalen, huschten vor und zurück, so als würden sie geheime Zeichen aussenden, Zeichen, die Braun durch eine geheime Tür in ein neues Leben führen könnten.
„Jimmy ist mein neues Leben“, murmelte er und wuchtete sich aus dem Sofa, machte sich auf den Weg zum Kühlschrank, der groß und metallisch glänzend das einzige Schmuckstück seiner Wohnung war. Mit leisem Zischen öffneten sich die Doppeltüren und Braun fischte sich eine Bierdose aus dem Getränkefach, trank sie in einem Zug leer, wollte gerade die Dose mit dem Stiefel in eine Ecke zu den anderen kicken, als ihm einfiel, dass Jimmy ab jetzt bei ihm wohnen würde. „Auf mein neues Leben!“ Er drückte die Dose zusammen und steckte sie in einen schwarzen Plastiksack.
Das Zimmer, in dem Jimmy wohnen würde, sah aus wie eine Müllhalde. Braun hatte den Raum als Lager für ausrangierte Möbel, vergilbte Akten, kaputte CDs, zerfledderte Bücher zweckentfremdet und dementsprechend ratlos lehnte er jetzt in der Tür und starrte auf das Chaos. Das wütende Gekläff eines Hundes war durch das gekippte Fenster zu hören, der fadenscheinige Vorhang bewegte sich leicht in einem dünnen Luftzug und wirbelte feine Staubwolken auf. Am liebsten hätte Braun die Flucht ergriffen, die Tür hinter sich zugeschlagen, sich auf das Sofa gesetzt, Bierdose in der Hand, Musik aus den Boxen, Lichtspiele an den Regalen, aber so lief das diesmal nicht, denn Braun hatte jetzt Verantwortung. Dazu gehörte auch, dass er seinem Sohn ein wenigstens halbwegs ordentliches Zuhause bieten musste.
Als er sich daran machte, das verdreckte Zimmer zu putzen, fiel ihm auf, dass er im Grunde nichts über seinen Sohn wusste, er hatte keine Ahnung, womit sich ein dreizehnjähriger Junge beschäftigte, welche Interessen er hatte, ja nicht einmal, welche Musik er gerne hörte. Für Braun war sein Sohn ein Fremder, er hatte nicht einmal eine Ahnung, welche Schule er besuchte. Bald war das Gröbste beseitigt, das Zimmer mehr oder weniger wohnlich gestaltet und in einem Anflug von Sentimentalität pinnte Braun einige der Fotos, die ihn und Jimmy zeigten, an die kahlen Wände, bevor er zu seiner Exfrau Margot fuhr, um Jimmy abzuholen.
*
„Sieht echt Scheiße aus!“ Jimmy Braun knallte genervt seinen Rucksack auf den Boden, drehte sich in Brauns Wohnung um die eigene Achse, die Hände tief in den Taschen seiner übergroßen Jeans vergraben. Immer wieder schüttelte er den Kopf, rümpfte die Nase, schlurfte dann zum Esstisch, um sich ein Stück der fettigen Pizza abzureißen, die Braun besorgt hatte, bevor er Jimmy abgeholt hatte.
„Mann, ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man es hier aushält! Bei diesem Lärm.“ Das war Jimmys erster Kommentar, seit sie in Brauns Wohnung angelangt waren. Brauns grauer Wohnblock lag nicht nur knapp am Zubringer zur Stadtautobahn, auch die Umgebung mit dem neuen Wirtschaftsförderungsinstitut, einem Technologiezentrum und der Autobahn, die sich über die rostigen Blechdächer der Häuser, die winzigen, mit Müll und Autowracks übersäten Gärten und unbeleuchteten Straßen wie ein schwarzes Betonungetüm spannte, war alles andere als einladend.
Jimmy deutete mit dem Kopf Richtung Fenster, von dem aus man direkten Blick auf den Zubringer hatte. „Wie kann man sich hier bloß wohlfühlen!“
„Mir gefällt es. Der Ausblick, besonders bei Nacht, und die vielen Scheinwerfer, die über die Wände huschen, das erinnert mich an eine Großstadt.“
Statt eine Antwort zu geben, schaltete Jimmy
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