Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Notizen, kein Papier, kein Stift, nichts. Er arbeitete intuitiv, einfach nach seinem Gefühl. Darin lag auch das Geheimnis seines Erfolges, das hatte sie sich schon gedacht. Zunächst war sie skeptisch gewesen, hielt das für bloße Angeberei, doch als sie hörte, wie präzise er auf Fragen antwortete, änderte sie ihre Meinung.
Er kam ihr seltsam vertraut vor, so als wären sie ein altes Ehepaar, das sich wortlos versteht, das Gesten und Mimik des anderen total verinnerlicht hat. Oder lag es in ihrem Fall an den silbrig glänzenden Dosen, die er vor sich aufgereiht hatte und die sie an ihr eigenes Problem erinnerten?
Nein, es war seine Körperhaltung und seine Ausstrahlung. Er fühlte sich unbeobachtet, wusste nicht, dass sie nur wenige Meter entfernt saß, ihn durch eine schalldichte Glasscheibe beobachtete, seinen gequälten Gesichtsausdruck studierte. An seiner Mimik konnte sie lesen wie in einem Buch. Wie er dort drinnen im Halbdunkel mit hochgezogenen Schultern saß, den Kopfhörer auf den schwarzen Haaren, die Stirn in gequälte Falten gelegt, das Kinn trotzig nach vorne gestreckt, so als würde er dem Schicksal Paroli bieten, vor sich das Mikro, da war er trotz aller Energie in der Stimme die Verkörperung totaler Einsamkeit. Und sie wurde traurig, denn sie wusste, dass sie niemals eine Einheit werden würden. Doch diese Trauer wollte sie für immer festhalten, deshalb griff sie nach ihrem Handy und schoss ein Foto.
25. Das weiße Gift
Auf der Suche nach Marusha stellte sich Darija auf die Zehenspitzen, überragte so die meisten der Besucher und strich sich die weißen Haare aus der Stirn. In der Brusttasche ihrer Lederjacke knisterten fünfhundert Euro, die sie den fünf winzigen Vietnamesen für ein paar Blow-Jobs im Bilderdepot abgeknöpft hatte – am liebsten hätte sie zufrieden geschnurrt wie eine Raubkatze. Doch noch immer kochte das Heroin in ihrem Blut und machte sie stärker, aktiver und schöner und die Welt intensiver und aufregender.
„Hast du Marusha gesehen? Das Mädchen, mit dem ich gekommen bin. Blond, mit den verrückten lila Augen?“, fragte sie den Galeristen, den sie schon länger kannte.
„Ist mit Kossuth im Büro verschwunden, dann nach draußen! Ging ihr wohl nicht besonders.“ Er machte eine Kopfbewegung Richtung Tür.
„Ach du Scheiße!“ Darijas Augen flammten auf wie zwei Suchscheinwerfer, als sie nach draußen in die eiskalte Dunkelheit von Bratislava trat, und ihre weißen Haare knisterten im blauen Licht über der Galerie. Das Heroin brodelte wie Lava durch ihren Kreislauf und sie öffnete ihre Jacke, so heiß war ihr plötzlich und ihr Ego wuchs und wuchs, als Model würde sie die Welt erobern!
Erst jetzt bemerkte sie die zusammengekauerte Gestalt, die auf dem Gehsteigrand hockte und an ihren Nägeln kaute. Marusha blickte nicht auf, als sich Darija leicht wie eine Feder neben sie auf den Gehsteig setzte. Prüfend ließ sie ihre Augen mit den tellergroßen Pupillen über Marusha gleiten. Das seidig blonde Haar hing ihr strähnig ins Gesicht, der Lack auf den abgebissenen Nägeln war abgesplittert, die engen Jeans waren völlig durchnässt und stanken fürchterlich. Als Marusha ihr das Gesicht zuwendete und diese verrückt graulila Augen aufschlug, bemerkte Darija, dass sie geweint hatte.
„Was ist mit dir, meine Kleine?“, fragte sie und die Worte perlten noch immer glänzend und geschmeidig aus ihrem Mund.
„Du bist so schön, meine Kleine, aber schwach, schwach, schwach! Du lässt dich besiegen und wirst fahl und verwelkt, dabei müsstest du doch strahlen und eine Siegerin sein!“
Gerne hätte sich Darija weiter an ihren eigenen Worten berauscht, doch als sie Marushas verzweifelten Gesichtsausdruck sah, riss sie sich
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