Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Hornissen
„Fuck!“ Die schwarzen Fliegen in seinem Mund drängten nach draußen, krabbelten, schwirrten und surrten in seiner Mundhöhle, machten sich selbstständig und schleuderten „Fuck!“ in den nächtlichen Regen.
Es war zwei Uhr morgens, als Fliegen und Hornissen erneut von Jonas Blau Besitz ergriffen und er anfing, den Kopf hin und her zu schütteln und mit den Händen auf seinen Brustkorb zu schlagen. Die Hornissenschwärme in seinen Fingerspitzen ließen sich aber auch durch das immer stärkere Trommeln auf seinen Brustkorb nicht mehr besänftigen und forderten wie die schwarzen Fliegen in seinem Mund mehr und immer mehr.
Dann verkrümmte er seine Finger, die juckten und vibrierten, zu dürren Klauen mit schmutzigen, abgebrochenen und blutverkrusteten Nägeln. Diese Klauen fuhren nach oben auf seinen rasierten Schädel und kratzten tief durch die verschorfte Kopfhaut, bis das Blut spritzte.
Erst dann gaben die Hornissen Ruhe und die schwarzen Fliegenschwärme kehrten zurück in die hintersten Winkel seiner Eingeweide.
Es war zwei Uhr morgens, das sah er auf der Digitalanzeige der metallenen Säule auf dem Anleger an der Donau, die ihr rotes Licht auf den nassen Boden warf. Der Regen spülte das Blut von Jonas Blaus Kopf und er machte sich Vorwürfe, weil es ihm nicht gelungen war, sich zu kontrollieren.
Er hatte das Treffen immer wieder im Kopf durchgespielt, aber als es dann tatsächlich so weit war, hatte sein Hirn wie so oft versagt und seine schön gebauten Sätze verschwanden in den Fliegenschwärmen und alles, was er noch hervorgebracht hatte, war „Fuck!“ gewesen.
Immer wieder sah er das plötzlich auflodernde Feuer, hörte die Schreie, das dumpfe Splittern der Knochen unter den Schlägen und die Schuldgefühle brachen nachts wie eine Welle, angefüllt mit Erinnerungen, über ihn herein.
Die Nacht spülte alle seine guten Vorsätze, mit denen er sich tagsüber am Funktionieren hielt, einfach weg. Jonas musste diesem Druck nachgeben, um nicht verrückt zu werden. In der Nacht überfiel ihn die Erinnerung so heftig, dass an Schlaf nicht zu denken war. Überhaupt wurde Schlaf für ihn immer mehr zu einer Bedrohung, bedeutete Hitze und Verbrennen. Deshalb schloss er nur bei Tag stundenweise die Augen, um die Bilder hinter seinen Lidern durch den Alltagslärm der geschäftigen Stadt zu entschärfen. In der Nacht jedoch krochen die Schuldgefühle wieder aus ihren Löchern hervor und trieben ihn vor sich her.
In dieser regnerischen Nacht, in der er wie so oft die Kontrolle verloren hatte, hatte er an einer feuchtglänzenden, vermoderten Hausmauer die Signatur, die im Sprayer-Jargon Tag genannt wurde, in mattem Weiß entdeckt.
Es war das Tag eines anderen Sprayers, das ihm verschlüsselt zeigte, wo er sich den richtigen Kick für seine Arbeit holen könnte. In dieser Nacht im Juli folgte Jonas diesem Tag, das ihn bis an die Donau führte, die mitten durch die Industriestadt Linz fließt. Vorsichtig schlich er auf einen unbeleuchteten Parkplatz und achtete darauf, dass die Cans, wie Sprayer ihre Sprühdosen nannten, in seinem kleinen Nylonrucksack nicht allzu sehr klapperten.
Die vom Wind aufgepeitschten Wellen der Donau klatschten heftig gegen die Kaimauer. Der Parkplatz war einst eine Anlegestelle für Ausflugsboote gewesen, aber die Touristen hatten es satt gehabt, die abgewrackten Lagerhäuser und rostigen Kräne zu sehen. Deshalb wurde daraus ein Parkplatz für die Nachtschwärmer, die den „Hafenstern“ frequentierten, ein in letzter Zeit ziemlich angesagtes Lokal, direkt am Hafen.
An der Seitenwand des Lokals entdeckte er das Tag schon von Weitem, denn es war direkt neben einen Strahler gesprayt, der die unverputzte Ziegelmauer
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