Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
für einen Moment.
„Tim ist tot? Er ist ermordet worden?“ Elena Kafka spuckte den Nikotinkaugummi in den Papierkorb, der unter ihrem Schreibtisch stand, und setzte sich aufrecht in ihren Lederstuhl. „Was ist passiert?“
Während sie zuhörte, riss sie eine Schreibtischlade auf und holte ein kleines schwarzes Notizbuch hervor. Der gewachste Leineneinband war an den Ecken abgewetzt und als sie das Buch aufschlug, waren die Kaffeeringe und Brandflecke nicht zu übersehen. Sie klemmte sich den Hörer zwischen Wange und Schulter und begann hektisch das Notizbuch durchzublättern. Es waren Tagebucheintragungen, die im Zeitraffer ein Leben dokumentierten, dann plötzlich abrissen. „Back in Linz!“ war quer über die letzte Seite geschrieben worden.
Elena Kafka räusperte sich, als sie bemerkte, dass der Anrufer verstummt war. Sie hörte nur ein verhaltenes Schluchzen, dann hatte sich der Anrufer wieder gefasst und seinen gewohnten befehlsmäßigen Ton angeschlagen. Schweigend hörte Elena Kafka zu, runzelte die Stirn, wollte etwas sagen, wurde aber von dem Anrufer unterbrochen. Mit resignierter Miene wartete sie, bis der Anrufer geendet hatte.
„Ich kümmere mich persönlich darum. Mein bester Mann ist in zwei Stunden vor Ort. Du kannst dich auf mich verlassen! Woher ...“
Doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt und das mechanische Tuten des Telefons vermischte sich mit dem gleichmäßigen Trommeln des Regens an die Fenster ihres Büros.
Wie betäubt starrte Elena Kafka auf den Schreibtisch, auf dem der Telefonhörer und das schwarze Notizbuch lagen. Mit zitternden Fingern griff sich danach, schlug eine neue leere Seite auf und schrieb: „Es ist vier Uhr morgens, Ende Juli und es regnet ...“ Dann brach sie in Tränen aus und weinte, so wie sie zuletzt auf dem schmucklosen Friedhof in Washington geweint hatte.
Als es nichts mehr zu weinen gab und ihre Augen klein und verschwollen waren, legte sie langsam den Telefonhörer auf, griff automatisch nach der Blisterverpackung, um sich einen neuen Nikotinkaugummi herauszudrücken, aber die Verpackung war leer. Nervös fischte sie die zerkaute Kaugummikugel wieder aus dem Papierkorb, ließ sie in der Mundhöhle kreisen und versuchte nicht an das Nikotin, sondern an das Telefonat zu denken.
Mit bleischweren Gliedern stand sie auf, bemerkte den Gummiball, den sie auf dem Teppich liegen gelassen hatte, und hob ihn schnell auf. Durch die großen Fenster ihres Büros hatte sie einen Panoramablick über die Stadt, die um diese Zeit ausgestorben und leer wirkte. Nur vereinzelte Autos fuhren, glänzende Wasserfontänen wie Feuerschweife hinter sich aufwirbelnd, über die Nibelungenbrücke, die sich über die Donau spannte und die beiden Stadtteile von Linz miteinander verband. In der Glasscheibe spiegelte sich ihr Gesicht wider, das durch die konsequente Diät noch immer straff war und durch die pechschwarzen, streng zurückgebundenen Haare noch härter wirkte. Elena Kafka war neunundvierzig Jahre alt, sah aber aus wie Ende dreißig und fühlte sich im Augenblick wie sechzig.
Seit neun Monaten war sie jetzt in dieser Stadt und der Kulturschock hätte nicht größer sein können. Aus der pulsierenden Millionenstadt Washington, dem Zentrum der Macht, hierher in das beschauliche Linz. Aus der Hauptstadt des Verbrechens in eine Stadt, in der es nur wenige echte Verbrechen gab. Aus einer Stadt, in der sie den Tod kennengelernt hatte, in eine Stadt, in der sie wieder das Leben spüren wollte.
Doch das Verbrechen hatte sich wie ein Bluthund auf ihre Fährte geheftet und sie bis hierher verfolgt, um sie noch härter zu treffen. In ihrer Wohnung in Washington hatte sie gedacht, es könne nicht schlimmer werden, dass sie bereits
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