Trinity (German Edition)
Monat, vielleicht auch zwei, unterwegs sein. Der General muss sich eine Weile in Hanford und in Oak Ridge aufhalten. Sie müssen alle Reisen mit dem Zug oder mit dem Auto machen. Niemand von uns darf irgendwelche Flugreisen unternehmen, Flugzeuge gelten als zu gefährlich, und wir sind für das Land zu wertvoll, um ein solches Risiko einzugehen.«
»Elizabeth«, Feynman stand hinter ihr, und seine Stimme war weich und ruhig geworden. »Wir haben wirklich keine Wahl. Ich wollte das nicht von Ihnen verlangen – verflixt, mir wäre viel lieber, wenn ich Sie hierbehalten könnte, um Ordnung in meinen Sachen zu halten – aber Sie sind wirklich am besten für diese Aufgabe geeignet.«
Elizabeth war über den schnellen Wandel der Ereignisse immer noch verblüfft. Und alles das nur wegen einer hingeworfenen Bemerkung Feynman gegenüber. Oder war es das gar nicht? Wäre es vielleicht unter allen Umständen dazu gekommen? Groves war wegen des Naziangriffs auf New York hier – aber hätte er sich zu dieser Reise entschlossen, wenn ihr Tip zum Thema Implosion nicht gekommen wäre? Sie wollte nicht in eine so entscheidende Rolle hineingeworfen werden. Sie hatte bereits wesentlich mehr getan, als sie beabsichtigt hatte.
Elizabeth atmete tief durch. Sie sah die ganze Zeit die Aufnahmen der P-51 vor sich, die dicht über dem Boden dahinraste, sah die verlassenen Straßen von New York, die vertraute Bilder verbrannter und verstümmelter Leichen aus den Ruinen von Hiroshima überlagerten. Wie hieß es doch? Niemand kann zwei Herren dienen, wenn er nicht den einen verachten und den anderen hassen will. Feynman auf die Implosionstheorie hinzuweisen, war eine Sache – sie war nicht aktiv an der Waffenentwicklung beteiligt –, aber direkte technische Ratschläge zu erteilen, war eine völlig andere Sache. Jetzt begriff sie, weshalb Fox sich verraten vorkam. Aber es gab keinen anderen Weg.
»Fangen wir an«, flüsterte sie.
18
Hanford Engineering Works, Washington
August 1944
»An dem Tag, an dem ich erfuhr, dass ich das Projekt leiten sollte, das am Ende zum Bau der Atombombe führen würde, war ich vermutlich der zornigste Offizier in der ganzen Armee der Vereinigten Staaten.«
— General Leslie R. Groves
»Wir gelangten zu der Erkenntnis, dass diese Substanz [Plutonium], die bis dahin niemand unmittelbar zu sehen bekommen hatte, nur durch ihre Radioaktivität, spaltbar sein würde. Dieser Schluss sollte bald zu einem geradezu widersinnigen Traum führen: vermittels eines Neutronenreaktors, wie er noch nie zuvor existiert hatte, kilogrammweise ein Element herzustellen, das man noch nie zuvor auf Erden gesehen hatte.«
— John A. Wheeler
»Holen Sie sich Ihren verdammten Kaffee selbst«, sagte Elizabeth.
General Groves war ihr von Anfang an auf die Nerven gegangen. Nach den zehn Stunden, die sie jetzt neben ihm im Zug gesessen hatte, kostete es sie alle Mühe, sich einigermaßen im Griff zu behalten. Sie wandte sich nicht von dem nachtgeschwärzten Fenster des Streamliners ab, als dieser mit gedämpftem Poltern über die Schienen brauste.
Sie sah das Spiegelbild von Groves erstauntem Ausdruck und sah zu, wie das Staunen in Empörung umschlug. »Ich – verweigern Sie meine Befehle?«
Jetzt drehte Elizabeth sich zu ihm herum. Die Situation kam ihr so komisch vor, dass sie Mühe hatte, nicht laut aufzulachen. »Ich bin nicht beim Militär, General, und ich bin auch keine Kellnerin. Sie können mir keine Befehle erteilen. Die Sklaverei hat man, wie Sie wissen, im letzten Jahrhundert abgeschafft.«
Groves klappte den Aktendeckel mit Papieren, den er im Schoß hielt, ruckartig zu. Seine Pausbacken zitterten, während er nach Worten suchte. Die glimmende Zigarre, die er in der Hand hielt, gab stinkende Rauchwolken von sich. Seine Augen wirkten blutunterlaufen, und sein mit grauen Strähnen durchsetztes, kastanienbraunes Haar war zerzaust. »Ich habe Sie mitgenommen, Missy, um –«
»Als Ihre technische Beraterin in einigen Teilen des Projekts. Das haben mir Feynman und Oppenheimer die ganze Nacht hindurch eingetrichtert. Und ich heiße auch nicht Missy. Sie können entweder Ms. Devane oder Elizabeth sagen.«
Groves verschlug es die Sprache. Elizabeth genoss das, entschied dann aber, dass es genug war. »Aber ich werde uns jetzt eine Kanne Kaffee holen. Ich könnte selbst welchen gebrauchen.«
Sie stand auf und ging den Schaffner suchen. Als sie schließlich aus dem Speisewagen zurückkehrte, trug sie ein
Weitere Kostenlose Bücher