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Trinity (German Edition)

Trinity (German Edition)

Titel: Trinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doug Beason , Kevin J. Anderson
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ihren Weg gegangen, hatten es zu etwas gebracht. Rutherford unterrichtete in Cambridge mit seinen Wiesen und dem von Bäumen beschatteten Fluss. Niels Bohr selbst kam gelegentlich, um Gastvorlesungen zu halten. Das Cavendish-Labor, wo Chadwick 1932 das Neutron entdeckt hatte, war das am besten ausgestattete in ganz Europa gewesen.
    Abraham Esau hatte zahllose Diskussionen geführt, nicht nur im Hörsaal, sondern auch an ihrem Lieblingstreffpunkt, einem alten Café in einer verblüffend sauberen Seitengasse. Andere Studenten sammelten sich dort, um über ihre eigenen imaginären Probleme zu diskutieren. Die Marmortische waren mit hingekritzelten Formeln bedeckt, und die Kellner hatten strenge Anweisung, das Gekritzel nie ohne ausdrückliche Genehmigung abzuwischen. Ungelöste Probleme auf den Marmorplatten wurden häufig von anderen Studenten abgeschlossen, die später hereinkamen. Esau lächelte; es war eine schöne Zeit gewesen. Er konnte sich noch ganz deutlich daran erinnern: Bilder, erfüllt mit Farben, Geräuschen und Düften – aber seitdem war die Welt grau und eintönig geworden.
    Er hatte Graham Fox seit vielen Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie hatten sich auseinandergelebt, seit Esau angefangen hatte, sich mit Parteipolitik zu beschäftigen und sich in der deutschen Regierung nach oben zu arbeiten. Er hatte sich vorgenommen, sein Wissen und seine Talente dafür einzusetzen, um Deutschland aus dem wirtschaftlichen Tod wiederzuerwecken. Er war zum Präsidenten des Reichsnormenbüros ernannt worden und später zum Leiter der Sektion Physik im Reichsforschungsrat des Erziehungsministeriums. Abraham Esau mit seinem so verflucht jüdisch klingenden Namen hatte viele Fallgruben und politische Manöver hinter sich bringen müssen, um an seine jetzige Position zu gelangen und sich dabei viele Feinde und nur wenige Freunde gemacht.
    Esau schob die Fotografie auf seinem Schreibtisch zurecht. Er hatte keine Frau, keine Kinder – es war ein Bild von ihm selbst. In einer Parteizeitung hatte man ihn als »stämmigen Mann mit hartem Bauernschädel« bezeichnet und sich über seine bäuerlichen Vorfahren und seinen ostpreußischen Akzent mokiert, ja selbst über seine Fähigkeiten als Physiker. Es gab eine Menge Leute, die sich gerne über Abraham Esau mokierten.
    Auf dem Foto sah Esau allerdings makellos aus, er trug darauf eine graue Wolljacke, Krawatte und einen frischgestärkten weißen Kragen. Er achtete immer darauf, dass sein stahlgraues Haar über den Ohren sorgfältig gestutzt war, und kämmte es sich mit Pomade, sodass man die parallelen Furchen sehen konnte, die die Zähne seines Kamms gezogen hatten. Seine rechte Augenbraue war leicht hochgeschoben, und seine Augen waren wässrig blau. Ein intelligent aussehender Mann, ein mächtiger Mann, immer mit dem Anschein eines spöttischen Lächelns, was auf eine Narbe an seiner Oberlippe zurückzuführen war – ein Andenken an einen Bootsunfall, als er und Graham Fox in etwas angeheitertem Zustand, wo sie das besser bleibengelassen hätten, auf den Fluss hinausgefahren waren.
    Esau legte das Blatt auf die Schreibtischplatte. Generalbevollmächtigter für Kernphysik. Der Titel verlieh ein hohes Maß an Macht.
    Dass ein Deutscher, Otto Hahn, die Entdeckung von der Spaltbarkeit des Atomkerns 1939, dem Jahr des Kriegsausbruchs, verkündete, war keine Überraschung gewesen. Hahn hatte lange Zeit seinen eigenen Versuchsergebnissen nicht getraut, wahrscheinlich weil seine jüdische Assistentin Lise Meitner seine Experimente sabotiert hatte, ehe sie aus Deutschland geflohen war. Aber schließlich, als er die Augen nicht länger vor seinen verblüffenden Erkenntnissen verschließen konnte, hatte Hahn seine Entdeckung veröffentlicht und sie somit der ganzen Welt zur Kenntnis gebracht.
    Für Esau war es immer noch erstaunlich, wie die Dinge sich in nur vier Jahren verändert hatten. Jetzt wäre es unerhört gewesen, dass eine Information von solcher Wichtigkeit an die Öffentlichkeit getragen wurde. Sämtliche deutsche Atomforschungen – und ohne Zweifel auch die in Amerika und Großbritannien – wurden in fieberhafter Eile weitergetrieben. Aber alle neuen Entdeckungen unterlagen allerstrengster Geheimhaltung.
    Als Generalbevollmächtigter war es nun seine Aufgabe, all die unterschiedlichen Aktivitäten, die in Deutschland im Bereich der Kernphysik im Gange waren, zu koordinieren und miteinander in Einklang zu bringen. Aber er wusste nicht, wie er das anstellen

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