Trinity (German Edition)
reinlege.« Er schob die Tür auf und spähte hinaus. »Gehen Sie nur, die Luft ist rein.«
»Äh, nochmals vielen Dank –«
»Ja, ist schon gut. Gehen Sie.«
»Ja.« Elizabeth schlüpfte hinaus. Sie wich den Schlammlöchern aus, mit denen die Straße übersät war, und hielt sich im Gebäudeschatten. Als sie schließlich die Frauenbaracke erreicht hatte, wirkte die lange Reihe mit Pritschen geradezu einladend. Für eine Nacht hatte sie genug Aufregung gehabt und hoffte jetzt nur, dass ihre Versetzung glatt über die Bühne gehen würde.
Einbruch war nicht ihr Stil. Vielleicht war sie doch bei der United Conscience Group besser aufgehoben, wenn sie dort Flugblätter verteilte und nichts von Bedeutung tat. Das MCG-Debakel hatte ihr gezeigt, was passieren konnte. Jeff hatte mit seinem Leben bezahlt.
Einmal war genug, ganz gleich wie hoch der Einsatz auch sein mochte.
3
Berlin
Juni 1943
»Seit dem Ausbruch des Krieges hat sich in Deutschland das Interesse an Uran verstärkt. Ich habe jetzt erfahren, dass dort unter strenger Geheimhaltung Forschungsarbeiten stattfinden.«
— Albert Einstein
»Die Deutschen sind uns im Augenblick wahrscheinlich weit voraus. Sie haben ihr Programm mit Nachdruck im Jahre 1939 begonnen, während das unsere mit ähnlichem Nachdruck erst 1941 in Angriff genommen wurde.«
— Arthur H. Compton
Endlich hatte die Druckerei seine persönlichen Briefbogen geliefert. Er hatte sich genötigt gesehen, das Gewicht seiner neuen Position in die Waagschale zu werfen, um etwas so Einfaches rechtzeitig erledigt zu bekommen. Das war kein gutes Vorzeichen für die wichtigeren Dinge, die ihm bevorstanden.
Er wippte auf seinem Schreibtischsessel vor und zurück und bewunderte den Druck: DR. ABRAHAM ESAU, GENERALBEVOLLMÄCHTIGTER FÜR KERNPHYSIK. Die fetten Frakturbuchstaben ließen die ihm endlich zuteilgewordene Beförderung um so amtlicher erscheinen. Diesmal würden sie sie ihm nicht wegnehmen können. Einiges würde sich ändern, und zwar bald. Ganz gleich, was die anderen davon hielten.
Esau nahm das oberste Blatt, sorgfältig bedacht, keinen Flecken darauf zu hinterlassen, und schnippte dann mit dem Finger gegen das elfenbeinfarbene Papier. Schnelle, entschlossene Bewegungen machten auf Vorgesetzte immer Eindruck. Das hatte Esau vor Jahren gelernt, als er als einfaches Braunhemd seinen Aufstieg in der Partei begonnen hatte.
Er lehnte sich in dem Ledersessel zurück und ließ ihn kreisen, um das Büro zu betrachten, das er vor Kurzem für sich beansprucht hatte. Er war mit entsprechendem Aplomb und bedeutsamer Amtsmiene hier erschienen – auch etwas, was er in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gelernt hatte, nämlich, dass der Anschein von Autorität fast genauso viel bewirkte wie die Autorität selbst.
Er hatte ein paar Arbeiter damit beauftragt, den Schreibtisch und seinen Sessel in das von ihm ausgewählte Büro zu stellen, das mit der besten Aussicht auf Berlin. Die Mühe, sich zu erkundigen, wessen Büro das war, hatte er sich gar nicht erst gemacht; schließlich war er jetzt Generalbevollmächtigter für Kernphysik und hatte das Recht, Ansprüche zu stellen.
Obwohl es ein für den Frühsommer kalter Tag war, ließ er das Fenster offen, um den abgestandenen Zigarettenrauch hinauszulassen. Er hörte draußen den Lärm von der Straße, die Fahrzeuge, die Leute, die auch im Krieg ihren Alltagsgeschäften nachgingen.
Er entdeckte Staubspuren auf den Bücherregalen, wo der vorherige Benutzer des Büros seine Bibliothek gehabt hatte. Esaus Kartons waren noch vor der Tür im Flur aufgestapelt. Über kurz oder lang würde er jemanden zum Auspacken anfordern, damit es wie ein richtiges Büro aussah.
Er dachte an sein enges Zimmer in dem Studentenwohnheim in Cambridge, damals, als die Welt noch ganz anders war, damals, als der unfaire Versailler Vertrag für die Deutschen eine schwärende Wunde war, aber noch nicht Anlass für einen neuen Krieg. Deutsche Physiker hatten damals in der Naturwissenschaft die führende Position eingenommen, und Universitäten wie die von Göttingen hatten die größten Geister in der Philosophie, in der Mathematik, der Physik und der Chemie beherbergt. Esau hatte als Gast in Großbritannien Hochfrequenzelektronik studiert und sich schließlich in jenen Tagen der drahtlosen Telegraphie und des Fernsehens einiges Ansehen erworben.
Sein englischer Freund und Kollege Graham Fox hatte ihn in seinen Studien unterstützt, und sie waren
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