Trinity (German Edition)
befohlen, jemanden zu töten.
»Erschießen Sie ihn!«, brüllte Major Stadt.
Einer der beiden zog seine Pistole, während der andere noch an der Pistolentasche an seiner Hüfte hantierte. Ein Schuss peitschte, ein dünner Knall, täuschend leise, und dann ein zweiter, als der zweite Mann feuerte.
Heisenberg sackte im grellen Scheinwerferlicht auf den schlammigen Boden. Sein Gesicht wandte sich im Fallen ab. Den versammelten Wissenschaftlern entrang sich ein verängstigtes Murmeln.
»Damit wäre jede Unsicherheit hinsichtlich Ihrer Prinzipien geklärt, Herr Professor«, sagte Major Stadt.
Esau spürte, dass er zu zittern begonnen hatte. Heisenberg lag reglos auf dem Boden. Noch vor einer Sekunde hatte er gelebt. All seine Gedanken und Ideen waren verschwunden. Jetzt ließ sich Reichsminister Speer vernehmen. »So, vielleicht bewirkt das jetzt, dass die anderen hier Fortschritte erzielen.«
Esau hielt seine Wut nicht zurück. Er sah, wie jede Chance auf schnellen Erfolg hier wie Heisenbergs Blut im Schlamm versickerte. »Sie haben gerade den brillantesten Geist des ganzen Projektes ausgeschaltet. Wie soll ich einen Durchbruch erzielen, wo Sie gerade den Mann niedergeschossen haben, der am besten imstande gewesen wäre, das zu erreichen? Ich wollte Heisenberg unter Kontrolle haben, nicht vernichten!« Seine Stimme wurde eisig, und er drehte sich zu Major Stadt herum. »Unsere Aufgabe wird jetzt wesentlich schwieriger sein.«
Stadts Haut wirkte in dem grellen Licht wie die einer Leiche. Er lächelte, als ob ihm das, was gerade geschehen war, großen Spaß bereiten würde. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Ah, dafür haben wir den Herrschaften hier einen Ansporn gegeben, Professor Esau.« Er sah sich um und sah die anderen Wissenschaftler an, die immer noch ungläubig Heisenbergs Leiche anstarrten. »Einen Ansporn.«
Teil II
7
Los Alamos
August 1943
»Für mich ist es immer noch unendlich überraschend, wie ein paar Kritzeleien auf einer Tafel oder auf einem Blatt Papier den Lauf der menschlichen Geschichte verändern können.«
— Stan Ulam
Ein flotter Spaziergang in der frischen Bergluft vor dem Frühstück ließ Elizabeth vieles vergessen. Der kühle Morgenwind rasselte im Espenlaub; die Mesas und die Jemezberge in der Ferne wirkten wie Aquarelle. Der Anblick erinnerte sie an das, was sie nach New Mexico gezogen und veranlasst hatte, Berkeley und das hektische Leben Kaliforniens hinter sich zu lassen.
Die Vorstellung, die Cafeteria des Projekts aufzusuchen und dort das sogenannte Frühstück einzunehmen, war ihr zuwider. Der Zigarettenrauch hing dort wie Nebel in der Luft, Produkt unzähliger Lucky Strike Greens, der einzigen Marke, die im PX erhältlich war. Die Mahlzeit bestand aus fettigen Spiegeleiern und Schinken sowie in abgestandenem Fett gebratenen Kartoffeln: eine Jahresration Cholesterin pro Morgen. Ihr drehte sich dabei der Magen um. Frisches Obst war überhaupt nicht zu erhalten. Gelegentlich schaffte sie es immerhin, sich ein Schüsselchen mit klebrigem Haferbrei oder Grütze zu besorgen.
All diese brillanten Wissenschaftler hatten keine Ahnung davon, wie man sich gesund ernährte. Das Zeug war alles noch nicht entdeckt worden – die Verbindung zwischen Lungenkrebs und Zigarettenrauch hatte man erst in den fünfziger Jahren hergestellt, nach Experimenten mit Hunden, die man an Rauchmaschinen angeschlossen hatte.
Vermutlich würde man sie auch in dem, was sie sonst tat und dachte, für eigentümlich halten. Sie versuchte immer noch zu lernen, wie man ein Kleid trug und wie man sich in der Umgebung von Männern verhielt. Sie hatte ihre männlichen Kollegen ein ganzes Leben lang als gleichberechtigt behandelt und wurde verlegen, wenn die Männer von der Army sich beeilten, ihr die Tür zu öffnen oder ihr Zigaretten anzubieten oder jedes Mal albern grinsten, wenn sie ihnen auf den staubigen Straßen begegnete. Herrgott nochmal, ich bin doch keine Prinzessin!
Mrs. Canapelli redete ihr die ganze Zeit zu, sie solle Make-up tragen, sich die Nägel so herrichten wie die übrigen Frauen und grellroten Lippenstift auflegen, sodass sie jedes Mal einen roten Klecks auf der Kaffeetasse hinterließ, wenn sie daraus einen Schluck trank. »Aber Sie sehen so einfach aus, meine Liebe!«, sagte Mrs. Canapelli, als Elizabeth am Morgen aus dem Haus ging, und ehe die anderen Damen sich zum Frühstück begaben. »Wollen Sie denn nicht, dass die jungen Männer Sie zur Kenntnis nehmen?«
»Ich
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