Trinity (German Edition)
Wachmannschaften luden gemeinsam mit Technikern des Virushauses die Kisten aus und schleppten sie in das Bunkergebäude. Esau sah ihnen bei der Arbeit zu. Der Nieselregen hätte das Material beschädigen können, aber jemand war zum Glück auf die Idee gekommen, die Kisten in Wachspapier einzuschlagen, sodass alles trocken blieb. Ein paar Techniker kamen aus dem Bunker, die Gesichter mit Kohlenstaub geschwärzt, was äußerst komisch wirkte.
Esau wartete neben dem Fahrerhäuschen des LKW, das ihn teilweise vor dem Regen schützte, bis die Arbeiter mit Entladen fertig waren. »Ich bin Professor Esau. Haben Sie eine Empfangsbestätigung für mich?«, fragte er den Hauptmann des Begleitkommandos.
»Jawohl.« Der Mann griff in eine Innentasche seiner nassen Lederjacke und zog ein Bündel Papier heraus.
Esau nahm es entgegen, zog einen Füllhalter aus der Tasche, suchte nach einer glatten Oberfläche, auf der er schreiben konnte, und entschied sich schließlich für den nassen Kotflügel des Lkws. Er kritzelte seine Unterschrift hin und setzte dann in Druckbuchstaben seinen eindrucksvollen Titel darunter. »Jetzt haben wir alles«, sagte er zu sich.
»Heil Hitler!«, salutierte der Offizier und steckte die Papiere wieder ein.
Esau erwiderte den Gruß und ging dann zum Bunker zurück. Er hörte gar nicht zu, wie die Motorräder wieder ansprangen und dann der LKW mit mahlendem Getriebe auf dem schlammigen Platz zurücksetzte, wo vor zwei Monaten Heisenberg erschossen worden war.
Im Inneren des Bunkers angelangt, ging Esau auf die Forscher und ihre Assistenten zu. Die Innenwände waren von Wissenschaftlern mit Vorschlaghämmern entfernt worden, sodass nur die Stahlträger zurückgeblieben waren, die jetzt in regelmäßigen Abständen den Raum teilten. An der Tür musste Esau um ein paar Kisten herumgehen, die mit ultrareinen Graphitziegeln gefüllt waren, die man bereits auf das richtige Maß für die Gitteranordnung zugeschnitten hatte.
In der Mitte war der Boden zum größten Teil aufgerissen worden; an einer Wand lagen lange Dielenbretter, aus denen noch die Nägel herausragten. Bauarbeiter hatten eine tiefe Grube ausgehoben, sie mit Beton ausgekleidet und die Betonwände dann mit Berylliumplatten verkleidet, die dazu dienten, aus dem Reaktor entwichene Neutronen zurückzuspiegeln.
Unten in der Grube hatten drei Arbeiter eine Schicht Kohlenstoffziegel ausgelegt. Eine lange Kette von Männern war damit beschäftigt, zusätzliche schwarze Blöcke hinunterzureichen. Gelegentlich kam es zu kleinen Verletzungen, wenn die Arbeiter mit dem schlüpfrigen Graphit unvorsichtig waren.
Einer der Männer, die in der Grube manuelle Arbeit leisteten, war Dr. Kurt Diebner, Esaus ehemaliger Rivale. Esau lächelte, er fand es gut, dass der Mann sich die Hände schmutzig machen musste. Und schmutzig war er ohne jeden Zweifel – sein Gesicht, sein fast kahler Schädel, seine dicke, schwarze Brille, die Hände, der Hals –, alles war mit schwarzem Staub bedeckt, der sich mit seinem Schweiß vermischte und in seinen Poren klebte.
Sämtliche Wissenschaftler aus all den über Deutschland verstreuten Forschungsgruppen waren hierher beordert worden, und man hatte ihnen Büros im Virushaus zugewiesen. Esau selbst hatte sein von ihm so geschätztes Büro im Zentrum von Berlin aufgegeben. Jetzt hatte er sich in dem wenig beeindruckenden Barackenkomplex Werner Heisenbergs ehemaliges Büro angeeignet. Er hatte das absichtlich getan, der psychologischen Wirkung wohl bewusst, um allen klar zu demonstrieren, wer hier das Sagen hatte, und was er tun konnte, falls die anderen Forscher sein Missfallen erregten.
Diebner hatte er ein Büro gemeinsam mit Manfred von Ardenne zugewiesen, dem Mann, der das Reichspostministerium dazu gebracht hatte, seine privaten Nuklearforschungen zu finanzieren. Von Ardenne war ein angenehmer, ruhiger, aber äußerst fähiger Forscher – wahrscheinlich der Einzige, der es längere Zeit mit dem anmaßenden Diebner aushalten würde.
Diebner und Paul Harteck – die zwei führenden Geister der Göttinger Forschungsgruppe – hielten in ihrer Clique zusammen, arbeiteten für sich alleine und behielten ihre Geheimnisse für sich. Zumindest hatten sie das versucht – aber Esau hatte dem sofort ein Ende gemacht. Jetzt gab es keinen Gruppenegoismus mehr und auch keine miteinander konkurrierenden Cliquen. Sie konkurrierten jetzt mit den Amerikanern, die nach Graham Fox' Nachricht bereits viel weiter waren als die
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