Trinity (German Edition)
vor. »Auf die Weise erhalten wir mehr Informationen.«
Esau drängte sich an den schmalen Fensterschlitz. »Wir können das Experiment ja später wiederholen, wenn Sie solche Feinheiten brauchen. Für den Augenblick ist wichtiger, dass wir erfahren, ob wir hier überhaupt weiterkommen! Wenn wir hier keinen Erfolg haben, werden einige Leute sehr ärgerlich werden.« Er wandte sich von Weizsäcker zu. »Lassen Sie das Uranoxid hinunter.«
Von Weizsäcker sah zuerst Hahn und dann Diebner an, als warte er darauf, dass jemand Esaus Anweisung widersprach, aber niemand sagte etwas. Einige der Assistenten schoben sich auf die Tür zu. Von Weizsäcker löste den Verschluss der Kette und ließ die sechs Uranoxidstäbe in den Meiler fallen, der damit die kritische Grenze überschritt.
Die Neutronenzähler ratterten wie wild, ein Höllenlärm. Es war jetzt unmöglich, die einzelnen Zählvorgänge noch zu überwachen. Esau sah zu dem Meiler hinüber, konnte dort aber keinen Unterschied feststellen.
»Die Reaktion steht!«, rief Hahn.
Paul Harteck stand auf der anderen Seite des Raums hinter einer ähnlichen Schutzwand und starrte auf seinen Zähler. Er musste schreien, um die Jubelrufe und das Klappern der Neutronenzähler zu übertönen. »Sie steigt noch.«
Der Meiler sah äußerlich unverändert aus, aber die Neutronenzähler verkündeten hartnäckig, dass sich in seinem Kern etwas Wunderbares vollzog. Sie hatten es geschafft! Mit nur dürftigen Informationen hatten sie den Triumph Enrico Fermis von vor ein paar Monaten nachvollzogen. Vielleicht würde das deutsche Programm doch nicht so weit hinter den Amerikanern zurückbleiben. Er konnte es kaum erwarten, Reichsminister Speer ein Telegramm zu schicken.
Die Zähler arbeiteten jetzt so schnell, dass aus dem Rattern ein lautes Brummen geworden war. Die Luft musste mit Neutronen gesättigt sein, und Esau hatte unwillkürlich das Gefühl, es sei wärmer geworden.
»Es steigt immer noch!«, wiederholte Harteck. Diesmal klang seine Stimme eindringlich.
Hahn schien nicht beunruhigt. Er gab Weizsäcker ein Zeichen und hob die Stimme: »Stäbe entfernen. Wir wissen jetzt, dass es funktioniert.«
Von Weizsäcker ließ seinen Hebel los, und das Gegengewicht fiel ein paar Zentimeter herunter. Die Kette spannte sich klirrend, aber die sechs Uranstäbe blieben im Meiler.
Plötzlich verstummten alle. Von Weizsäcker riss an der Kette, setzte seine ganze Kraft ein. »Thermische Effekte!«, sagte er. »Die Stäbe haben sich in der Hitze ausgedehnt. Sie stecken in den Löchern fest, und wir bekommen sie nicht heraus. Dumm!«
»Ziehen Sie!«, schrie Esau. Er dachte wieder an Hahns Mausefallen und die vielen herumfliegenden Murmeln, die alle gleichzeitig losgelassen waren.
»Es wäre gut, es jetzt anzuhalten«, sagte Hahn mit einem leichten Unterton von Nervosität.
»Wenn die Reaktion sich fortsetzt, schmelzen die Stäbe, ja vielleicht sogar das Uranmetall. Das könnte den Graphit entzünden«, sagte von Weizsäcker.
»Sämtliche Werte sind im roten Bereich«, rief Harteck von der anderen Seite der Grube. »Damit haben wir nie gerechnet.«
»Das Fass kippen!«, schrie Diebner. »Die Borsäure!« Er rannte selbst hinüber.
»Nein!« Esau klatschte in die Hände. »Dann wäre alles zerstört!«
Esau hatte sich inzwischen mit Weizsäcker an die Kette gehängt und setzte ebenfalls seine ganze Kraft ein, um die Uranstäbe in die Höhe zu ziehen. Hahn half ebenfalls mit. Zu dritt mühten sie sich ab, und jetzt konnte man sehen, wie die oberste Schicht von Graphitziegeln sich hochwölbte und schließlich auseinanderschob, und dann schossen die Uranoxidstäbe ruckartig in die Höhe. Sie glühten jetzt dunkelrot. Ein paar schwarze Graphitziegel rutschten herunter.
Die Neutronenzähler wurden langsamer, aus dem Brummen wurde zuerst ein Geräusch, das wie prasselnde Flammen klang, dann ein vereinzeltes Klicken. Paul Harteck sank hinter seiner Schutzmauer zu Boden und blieb dort sitzen, ohne auf den Graphitstaub auf den Fußbodenbrettern zu achten.
»Also, ich muss sagen, das war sehr interessant«, sagte Hahn.
»Das war erst der Anfang«, sagte Esau und musste dazu die Stimme heben, damit sie ihn hören konnten. Er schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Aber jetzt sind wir auf dem richtigen Weg.«
10
Los Alamos
Dezember 1943
»Als die Wolken sich über dem Ziel in Nagasaki öffneten, sahen wir das Ziel so hübsch wie ein Bild vor uns. Ich machte
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