Trinity (German Edition)
verstummte dann. Von Braun starrte brütend zu Boden.
»Das ist schrecklich. Wir müssen es immer wieder und wieder versuchen. Wir müssen die Fehler erkennen, sie ausmerzen!« Der General rang die Hände.
Esau senkte sein Fernglas und starrte zu der sich ausbreitenden Rauchwolke über dem Meer hinüber. Die Narbe an seiner Lippe juckte, als sein Mund sich zu einem Lächeln verzog.
»Nein«, sagte er und verblüffte damit seine Zuhörer. »Es ist großartig, so wie es ist.«
Dr. von Braun und General Dornberger äußerten sich während des ganzen Vormittags nicht mehr über das Scheitern der Rakete. Esaus Ideen begeisterten sie.
»Wir haben den Prototyp einer Rakete entwickelt, die man von einem U-Boot aus starten kann, sind aber dann zu dem Schluss gelangt, dass eine solche Waffe für den praktischen Einsatz ungeeignet wäre.«
»Bis jetzt«, korrigierte Esau.
»Ich bin immer noch nicht überzeugt«, meinte General Dornberger. »Wir haben das U-Boot-Thema deshalb nicht weiterverfolgt, weil es zu viel Mühe erfordern würde und nur geringe Erfolgschancen hat. Wir müssten ein U-Boot speziell umbauen, um Raketen abfeuern zu können, und könnten trotzdem höchstens drei an Bord befördern.«
Dornberger nahm die Uniformmütze ab und legte sie auf die zerkratzte Tischplatte. Ein kalter Wind wehte durch die Fensterritzen in den schlecht beleuchteten Konferenzraum der Baracke.
»Mir scheint das einfach nicht die Mühe wert. Ein U-Boot bauen und es über den Atlantik schicken und dann drei Bomben auf ein Ziel abfeuern? Sicherlich, ein unerwarteter Schlag, aber die angerichteten Schäden würden doch den Aufwand nicht rechtfertigen. Ich würde lieber hier die Arbeiten am V-2-Programm fortsetzen.«
Von Braun war ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht. Jetzt stand er auf und ging im Raum auf und ab. Esau setzte zum Reden an, aber von Braun fiel ihm ins Wort und trat vor Dornberger hin.
»Sie verstehen das nicht, Herr General! Wenn dieser radioaktive Staub so wirksam ist, wie Professor Esau das behauptet, dann würden drei Raketen ausreichen, um … eine ganze Stadt zu bezwingen, und zwar auf viele Jahre!«
»Ja«, pflichtete Esau ihm bei. »Das ist ein erheblicher Unterschied. Konventionelle Sprengstoffe verursachen in einem solchen Fall nicht genügend großen Schaden. Aber wenn wir radioaktiven Staub einsetzen, dann können wir mit einem einzigen Angriff mehr erreichen als mit hundert Bombenangriffen.«
»Und Sie glauben, Hitler hat die Absicht, mit dieser Waffe einen Schlag gegen Amerika zu führen? Warum nicht gegen England?«
Esau trat an die Wandtafel, nahm ein Stück Kreide, wusste aber gar nicht recht, was er eigentlich zeichnen wollte. »Wir sind nicht sicher, was passieren wird, wenn wir dieses Gift einsetzen. Wenn wir den Staub freisetzen und London damit verseuchen, könnte es sein, dass der Staub sich ausbreitet und die Normandie erreicht, vielleicht sogar deutsches Gebiet. In Amerika andererseits brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Das wäre ein perfekter Test. Wir können ganz genau beobachten, wie wirksam die Waffe ist.«
Er schob die Brauen hoch und sah zuerst den General und dann den Raketenwissenschaftler an. »Außerdem jagt es den Amerikanern Angst ein. Wir werden sie auf eine Art und Weise überraschen, die sie nie vergessen werden.«
General Dornberger strich mit den Fingern über seine Offiziersmütze, die vor ihm auf dem Tisch lag. »Und Reichsminister Speer ist davon begeistert?«
»Sogar sehr. Er möchte, dass wir die Waffe innerhalb von zwei Monaten einsetzen.«
»Zwei Monate!«, wiederholte von Braun.
Der General setzte seine Mütze auf und erhob sich. »Letzten März hatte Hitler einen Traum, der ihn davon überzeugt hat, dass keine unserer Raketen jemals England erreichen würde. Damals haben wir fast alle Unterstützung verloren. Aber im Juli hat er es sich dann wieder anders überlegt und uns höchste Priorität eingeräumt. Und jetzt reden Sie davon, einen Schlag nicht gegen England, sondern gegen Amerika zu führen. Wir können den Führer davon überzeugen, dass sein Traum richtig war. Wenn es gelingt, Ihre Idee in die Tat umzusetzen.«
Dornbergers Gesicht zeigte jetzt wieder sein Fremdenführerlächeln. »Also gut, Herr Professor. Wir sollten uns um ein geeignetes U-Boot umsehen und die entsprechenden Umbauten vornehmen. Das könnte den Endsieg bedeuten.«
14
U-Boot 415 der deutschen Kriegsmarine
April 1944
»Falls die Deutschen bei einem
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