Trinity (German Edition)
Angriff radioaktives Gift einsetzen, wird das höchstwahrscheinlich nicht in den Vereinigten Staaten sondern in Großbritannien geschehen.«
— General Leslie Groves
»Der Gedanke an das große neue Leid [das die Hiroshimabombe] über die Welt gebracht hat, hat mich beinahe niedergeschmettert. Aber ich war froh, dass nicht Deutsche, sondern die angloamerikanischen Alliierten dieses neue Instrument des Krieges gemacht und eingesetzt haben.«
— Otto Hahn
Die Brecher, die den grauen Stahlrumpf der U-415 trafen, ließen weiße Gischtfetzen bis zum Kommandoturm fliegen. Der wachhabende Offizier und der IO standen am Geländer und atmeten die würzige Atlantikluft in tiefen Zügen ein. Obwohl sie unter ihrem Ölzeug froren und sich dicke Handtücher um den Hals geschlungen hatten, um kein Wasser eindringen zu lassen, zogen sie doch diesen Dienst der Dunkelheit und dem Gestank unten vor.
»Kapitän auf Deck!«, rief jemand von unten.
Kapitänleutnant Werner kletterte die Aluminiumleiter im Turm hinauf und schob den Kopf durch die Luke. Auf halbem Wege blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Er hatte die Wache nur schwach besetzt, obwohl das allem zuwiderlief, was man ihm auf der Marineakademie in Kiel beigebracht hatte. Aber auf diesem Einsatz war alles anders. Die U-415 kannte ihr Ziel von dem Augenblick an, wo sie von ihren lautlosen Elektromotoren angetrieben den Hafen im besetzten Frankreich verlassen hatten.
»Sie sind abgelöst, Leutnant Gormann, falls Sie hinuntergehen wollen«, sagte Kapitän Werner zu seinem IO.
Gormann presste die aufgesprungenen Lippen zusammen und wischte sich mit der behandschuhten Hand das Sprühwasser unter den Augen weg. Sein Gesicht war von der Sonne und dem Wind gerötet. »Zu Befehl.« Er schnippte seinen feuchten Zigarettenstummel über das Geländer ins Wasser. Eine hohe Welle krachte auf das Deck herunter und schickte ihm einen Eimer voll Wasser nach, als er die Leiter hinunterkletterte.
Werner sagte nichts zu dem wachhabenden Offizier, der in militärischer Haltung dastand und sich ganz auf das konzentrierte, was ihm sein salzverkrusteter Feldstecher zeigte. Der Mann hieß Tellmark und war erst unmittelbar vor Beginn dieses Einsatzes zu ihnen gestoßen. Werner wusste nicht viel über ihn, nur dass er ein unerfahrener Kadett war und noch keinerlei Kampferfahrung hatte. In der einen Woche, die sie jetzt unterwegs waren, war dem jungen Mann ein spärlicher rotblonder Bart gewachsen.
Jetzt drehte Tellmark sich um und starrte in einen anderen Bereich der graublauen Leere, die bis zum Horizont reichte. Auf der weiten Meeresfläche war nirgends etwas zu sehen. Der Kapitän zog sich die weiße Mütze tiefer in die Stirn und über das feuchte Haar; nur der Kommandant durfte an Bord eine solche Mütze tragen. Von dem ewigen Salzwasser und der Feuchtigkeit, die im Inneren des Unterseeboots herrschte, hatten die Rangabzeichen bereits einen leichten Grünspanschimmer angenommen. Seine lange, graue Lederjacke war mit kräftigem Garn genäht und hielt ihn trotz des kalten Wetters warm; die Tressen an seiner Schulter waren von der aggressiven Salzluft weiß gebleicht.
Unterdessen – eine Woche nach dem Auslaufen aus dem Hafen – fühlten sich seine Lederstiefel, die zerknitterten Hosen und der blaue Pullover, ja sogar seine blaue Wollunterwäsche so an, als wären sie ein Teil von ihm. Da er sich nicht waschen konnte und zu wenig Kleidung zum Wechseln hatte, hatte Werner sich einfach mit dem Los aller U-Bootfahrer abgefunden, einfach nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, wie schmutzig er sich fühlte.
Die Reise westwärts über den Atlantik ging Tag und Nacht weiter. Sie fuhren geraden Kurs; nicht etwa Zickzack, um alliierte Schiffe zu entdecken und zu vernichten, sondern jagten schnell der amerikanischen Küste zu. Während die U-415 Überwasserfahrt machte, stand Werner schwankend auf dem Kommandoturm und lauschte dem Dröhnen der Dieselaggregate und dem Klatschen der Wellen gegen die Rumpfwände.
Hie und da konnte man unter der grauen Schutzlackierung die rote Mennigfarbe erkennen. Überall waren Roststellen, selbst auf der dick eingeölten 8,8-Zentimeter-Kanone auf dem Vorderdeck. Die hölzernen Deckroste waren mit Algen überzogen. Aber dies war Werners Boot, und kein Makel konnte den Stolz mindern, den er darauf empfand.
Tellmark schien jetzt etwas entdeckt zu haben. Ohne den Feldstecher von den Augen zu nehmen, hob er die linke Hand. »Schatten auf drei, zwo,
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