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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft
Autoren: Maxi Buhl
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Kreativität.
    Während der Taxifahrt, die ich gelassen wie ein Souverän genießen konnte, indes der Fahrer sich genervt durch den Berufsverkehr schob, konzipierte ich meinen nächsten Ratgeber. Anlagen für Trinker: Verflüssigen Sie Ihr Geld in Hochprozentiges! Von wegen Immobilien! Die bringen einem nur Ärger. Wenn die Leute keine Arbeit mehr haben, versaufen sie ihre Sozialhilfe lieber, als Miete zu zahlen. Am Schluss trösten sich alle mit der Flasche, die Habenichtse ebenso wie die Wohlhabenden. Also Finger weg von Häusern, Jachten und den ganzen Statussymbolen, die gepflegt werden wollen.
    Das Einzige, was Freude macht, ist ein gut sortierter Weinkeller. Der ist nicht nur wertstabil, der ist sogar wertprogressiv. Gerade in Zeiten niedergehender Wirtschaft hat sich ein guter Tropfen quer durch alle Schichten bewährt. Der Arme schlürft seinen Fusel, der Reiche verschanzt sich in seinem Keller und kann sich ausrechnen, wie lange der Stoff reicht. Wenn er weitsichtig vorausgeplant hat, wird er jede Krise überleben. Und zwar mit Genuss. Ein ordentlicher Rausch nach jeder Flasche gewährt ihm einen sorgenfreien Schlaf, und nach zwölf Stunden kann das Ritual von Neuem beginnen. Wem eine nackte Kellerwand beim Trinken zu trist erscheint, der mag als zusätzliche Geldanlage einen Blauen Reiter erwerben, ein Stillleben mit Trauben oder einen Picasso aus der Blauen Periode – auch Kunst kann glücklich machen, wenn sie die richtige Tönung zeigt und nicht trocken genossen werden muss. Die Adressen der Auktionshäuser werde ich noch eruieren müssen …
    In meinem Kopf war das Buch fast druckreif, als ich den Taxifahrer bezahlte. Fettes Trinkgeld und dann nichts wie hoch in die Wohnung, um die überbordenden Ideen zu Papier zu bringen! Die Getränke-Anlage konnte ich wirklich jedem Vermögenden guten Gewissens empfehlen. Auch wer Gesellschaft braucht, weil er es mit sich allein nicht aushält, wird mit einem Weinkeller gut bedient sein. Getränke über zehn Prozent garantieren in Zeiten der Rezession die Anhänglichkeit von Freunden, die einen bei boomender Wirtschaft nicht einmal grüßen würden. Und Frauen! Jede Menge. Die Schönsten unter ihnen werden sich selbst einem Greis noch auf den Schoß setzen, sofern er sich flüssig zeigt. Sie wollen nicht vertrocknen, sie wollen sich gelöst fühlen mit einem Sektchen am Morgen, hübschen bunten Cocktails über den Tag verteilt als Stimmungsaufhellern, einem samtigen Barolo als Schlummertrunk, ja, gerade Frauen suchen zunehmend Erlösung durch Flüssiges.
    Während ich meine Eingebungen zu einem handlichen Anlage-Ratgeber in die Tasten klopfte, holte mich bereits die nächste Idee ein. Frauen und Getränke. Ein Blick in die Einkaufswagen der Discounter zeigt es uns ja: Ohne Hemmungen packen Frauen ihre Chardonnays auf das Ciabatta, auch Madame lebt nicht vom Brot allein, und der pickelige Junior schiebt sich unauffällig ein Fläschchen Wodka Feige in die Tasche seiner Container-Jeans. Mögen ihn auch Bruch- und Prozentrechnung schier um den Verstand bringen, mit den abgefüllten Prozenten hat er kein Problem. Für die Teenies werde ich wohl auch einen Ratgeber schreiben müssen. Obwohl – können die überhaupt noch lesen? Man munkelt da so einiges, PISA et cetera. Vielleicht wäre ein Computerspiel zeitgemäßer. Ein interaktives Lernspiel zum Englischlernen, eine Reise durch die Brauereien und Destillerien des Königreiches. Schöner Gedanke. Auch Geografie und Geschichte fänden dabei zwanglos Eingang in die kleinen Gehirne, man präferiert ja heute das zwanglose Lernen. Wird sicher gut angenommen.
    Eine Flut von Ideen hatte der Wodka in mir hochgeschwemmt, wie sollte ich das vor meiner Abreise noch alles verarbeiten? Fast war ich geneigt, die Kreuzfahrt zu stornieren und daheim so weiterzumachen wie bisher. Also schreiben, schreiben und zwischendrin mal einen Kaffee. Zum Glück erinnerte mich mein Antlitz im Spiegel daran, warum ich mich dieser Verjüngungsprozedur unterzogen hatte. Um Bräute abzuschleppen, Mann, um mein Dasein als Zombie zu beenden. Um endlich einmal das zu tun, was ich seit Jahren predige. Zu trinken. Hier in diesen vier Wänden würde mir das niemals gelingen, seien wir ehrlich. Hier in diesen vier Wänden würde ich bloß wieder in Arbeit ertrinken, versumpfen würde ich in diesem Espressoloch, und bis mich das nächste Mal eine Erkenntnis treffen würde, hätte ich kein einziges Haar mehr auf dem Kopf und wahrscheinlich auch keine Zähne
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