Trinken hilft
Selbstbestimmungsdrang. Und für Herrn Mangold, nun, für Herrn Mangold war das …
In Gedanken nahm er Maß an dem schweren Gast und führte ihn die Kellertreppe hinunter. Während der Beamte Geschosshöhe und Treppensteigung notierte, beschloss Herr Mangold, seiner Führung diesmal eine andere Richtung zu geben. Nicht aus taktischen, sondern aus experimentellen Gründen. Schließlich ist er ein Mensch mit Fantasie. Er freute sich darüber, die Kräfte der Natur niemals missachtet, sondern umsichtig für seine häuslichen Notwendigkeiten ausgeschöpft zu haben, als er das beruhigende Plätschern des Wassers unter der Waschküche vernahm. »Die Zisterne dürfte voll sein nach diesen endlosen Regentagen«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem Begleiter.
Dieser witterte nach einem kritischen Blick auf die Pumpvorrichtung einen Verstoß gegen die Vorschriften und fragte: »Sie nutzen doch das Regenwasser hoffentlich nur zur Gartenbewässerung? Für den Hausgebrauch darf es höchstens mit einer gesonderten Genehmigung genutzt werden.«
»Genehmigung?«, wiederholte Herr Mangold gedehnt. »Die ist bei dieser Qualität überflüssig, das dürfen Sie mir glauben. Sehen Sie doch selbst!«
Er hob den schweren Zisternendeckel auf die Seite und kniete sich vor die Öffnung. Das Wasser blubberte keine Handbreit unterhalb des Randes. Dunkel und kalt schimmerte es im Schein der Taschenlampe, ein sanftes Wellengleiten, ein dumpfes Gurgeln aus unergründlicher Tiefe kündete vom Fluss der Dinge, vom Auf und Ab alles Lebendigen, von einem unsichtbaren Geist in jeder Materie. Skeptisch beugte sich der Beamte über die Öffnung im Beton und schaute zu, wie Mangold eine Handvoll Wasser nach oben holte. »Reinstes Regenwasser ist das. Riechen Sie mal daran«, schwärmte der Hausbesitzer und schnupperte an der glasklaren Flüssigkeit. Dann trank er sie und strahlte dem Beamten entgegen: »Sie müssen es selbst kosten, das wirft Sie um. So ein Wässerchen kriegen Sie nicht alle Tage vorgesetzt. Dreifach gefiltert und ionisiert, das soll mir das Wasserwerk erst einmal nachmachen.«
Etwas zaghaft, aber eingedenk seiner dienstlichen Funktion ging der korpulente Mann in die Hocke. Die Hose spannte, der Bauch war im Weg – eine Zumutung, welche Verrenkungen ihm trotz seiner Besoldungsklasse 10 abverlangt wurden. Gerade als er mit der Hand ins Wasser greifen wollte, gerade als er mit Todesverachtung seine Fingerspitzen in das eiskalte Element senkte, passierte es. Das Gleichgewicht ist eine hochlabile Angelegenheit. Man unterschätzt gern die Tendenz von Schmerbäuchen, aus der Balance zu kippen.
Herr Mangold war dankbar für seine eigene stabile Konstitution und legte ohne Verzug den Stahldeckel auf die quadratische Öffnung zurück. Die Gummidichtungen gaben einen leisen Schmatzlaut von sich, ein perfekter Geruchsverschluss. Ja, präzise Handwerksarbeit schätzte Herr Mangold sehr.
Oben saß seine Frau in der gemütlichen Stube, die Kinder kuschelten sich an ihren weichen Körper und hörten aufmerksam zu, wie Mama das Märchen vom bösen Wolf erzählte, den die Geißlein mit Wackersteinen füllen und in den tiefen Brunnen stürzen.
»Das Zisternenwasser gefällt mir im Moment gar nicht«, sagte Herr Mangold zu seiner Frau. »Wir sollten vorübergehend auf Stadtwasser umschalten.«
In der Diele hing noch der fremde Mantel. Herr Mangold zog sich Handschuhe an, denn es war nass und windig draußen. Dann fischte er aus der fremden Manteltasche einen Autoschlüssel hervor und rief seiner Familie zu: »Ich geh noch auf einen Sprung an die frische Luft.«
Er stellte den Wagen am Bahnhof ab, wischte mit seinem Taschentuch einmal über Lenkrad und Armaturen und stieg aus. Den Schlüssel ließ er im Zündschloss stecken. So ein schönes Auto, sagte er sich, irgendjemand wird sicher Gefallen daran finden. Er ist halt ein wirklich gutmütiges Mannsbild.
Nach dem letzten Satz beugte sich mein bayerischer Alleinunterhalter ganz nah zu mir und fragte: »So, was sagen S’ jetzt?«
»Jetzt wäre so ein selbst gebrannter Zwetschgenschnaps gut«, fiel mir spontan ein. Und sonst, was sollte ich sagen? »Gab es noch ein Nachspiel? Kripo, Spurensuche und so?«
Der Bayer verneinte lachend. »Nicht dass ich wüsste. Im Gegenteil. Der Mangold hat letzten Herbst sogar noch eine Tiefgarage ans Haus gebaut. Mit Hebebühne und drei Stellplätzen. Er sagt, falls mal wieder ein Audi vor dem Haus stehen bliebe. Sei ja schade um diese werkstattgepflegten
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