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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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subversiv, also nach unten umgangen zu haben.
    Natürlich setzte Herr Mangold seinen Bunker nicht ganz ohne Nachbarschaftshilfe in die Tiefe. So ist das glücklicherweise in diesen Kreisen mit mehr Fantasie als Geld. Man hilft sich gegenseitig, das ist noch immer das stärkste Fundament für Freundschaften. Der Haustechnik widmete er sich mit besonderer Hingabe. Immerhin ist er Installateur, und Installateure gehören, wie man weiß, zu den geschicktesten Handwerkern. Herr Mangold liebt seinen Beruf, der etwas mit Werden und Vergehen zu tun hat. Mit dem Fließen von Wasser, dem Steigen von Wärme und dem Abgehen von Treibgut. Das geheimnisvolle Labyrinth von Rohrleitungen fasziniert ihn. Das dumpfe Gurgeln aus Zisternen oder Blubbern in Klärgruben hat beruhigende Wirkung auf ihn. Und die geballte Energie in Heizkesseln ist sein Element, weil all dies Ausdruck der gebändigten Natur und Herr Mangold ein Naturbursche ist.
    Während seine Frau den Garten bestellte, Wäsche aufhängte, Wäsche abnahm und die Kinder in der Hängematte schaukelte, stieg Herr Mangold mit Lötbrenner und Rohrzangen in die Düsternis von Lüftungsschächten und Ölwannen hinab. Auf seinem Gebiet der Klima- und Sanitärtechnik gilt er als Perfektionist. So wunderte es uns nicht, dass er sein Haus mit einem besonders kräftigen Verdauungstrakt ausstattete. Doppelt und dreifach dimensionierte er die ableitenden Betonrohre, als gälte es, ganze Ochsen durch die Kanalisation zu jagen. Wenn seine Frau ihn zu den Mahlzeiten rufen wollte, konnte es durchaus passieren, dass sie ihn bis in die Unterwelt der Klärgrube verfolgen musste, und dann rümpfte sie ihre saubere Nase und spöttelte: »Du bist ja schwerer aufzutreiben als Orson Welles unter den Straßen Wiens. Sag mal, muss der Riesenaufwand sein? Wir müssen doch nicht die Ausscheidungen des gesamten Bundestags entsorgen.« Worauf seine Antwort aus einer Röhre schallte, wer einen Stall voller hübscher Töchter habe, müsse bald mit einer Fußballmannschaft junger Männer rechnen.
    Ja, Herr Mangold hatte Weitblick, als Familienvater wie auch als Installateur. Er mochte die Energiekrise der Siebzigerjahre einfach nicht vergessen, als der Erdölpreis wie eine Stichflamme in die Höhe schnellte, sodass mancher Villenbesitzer nicht mehr in der Lage war, sein Haus anständig zu heizen. Daran erinnerte er seine Frau, als die sich wunderte, warum er neben den Ölbrenner der Zentralheizung einen zweiten Brenner für Feststoffe montierte. »Und außerdem«, ließ er sie wissen, »heize ich gelegentlich ganz gern mit Holz. Denk an unsere Obstbäume! Was da an Astschnitt anfällt, will ich verbrennen können, sonst wachsen wir zu.« Der jährliche Obstbaumschnitt gehört zu den Winterfreuden ihres Mannes, und nichts steht ihr ferner, als seinen natürlichen Betätigungsdrang zu hemmen. Deshalb ließ Frau Mangold es gut sein und genoss die Gewissheit, dass zwischen ihren vier Wänden das Feuer nie ausgehen würde.
    Als die Obstbäume die Blätter abgeworfen und Frau Mangold ihre letzten Pflaumen eingemacht und im Vorratskeller gelagert hatte, tauchte unerwarteter Besuch auf. Unerwartet, aber nicht unbekannt. Besonders Herr Mangold mit seiner feinen Nase für unfeine Gerüche hatte noch sehr gut den Anblick dieses Beamten, wie er in seinen Zahnspalten stocherte, in Erinnerung. Eigentlich hatte er wesentlich früher ein Lebenszeichen von amtlicher Seite erwartet. Genauer gesagt, noch vor seinem Tiefbau. Der Beamte hätte sich nicht leibhaftig in diesen abgeschiedenen Winkel der Stadt bemühen müssen, ein postalisches Genehmigungsschreiben hätte den Mangolds genügt.
    Aber nun, da jener höchstselbst seine Aufwartung machte, war er gleichwohl willkommen. Wer in Einklang mit der Natur lebt, verscheucht keine Geschöpfe Gottes, auch nicht, wenn sie unerwartet auftauchen. Herr Mangold führte den Gast in die Stube, während Frau Mangold durch die Küchentür nach draußen verschwand, auf die bereits abgeblühte Wildwiese, wo sie mit zielsicheren Bewegungen die immergrünen Kübelpflanzen umstellte. »Dann schlafen wir besser«, erklärte sie ihren Töchtern den erstmaligen Verdunklungsfall.
    Der Beamte ließ sich nicht auf das gastfreundliche Angebot der Mangolds zu einem selbst gebrannten Zwetschgenschnaps ein. Auch den frischen Most lehnte er ab. Der Behörde sei zu Ohren gekommen, dass hier bauliche Veränderungen getätigt worden seien, und er überprüfe den Fall nun in obrigkeitlicher Funktion. Man

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