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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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verschmolz mit dem Element, das mich umgab, und fühlte mich zum ersten Mal seit Langem wunschlos. Dafür hatte sich die Kreuzfahrt gelohnt.
    Vielleicht sollte ich in meinem nächsten Leben als Tiefseebewohner wiedergeboren werden. Natürlich nicht als Languste. Übles Karma, mit Zitrone und Petersilie dekoriert im fetten Bauch eines Monsignore zu enden. Da wäre Qualle schon besser. Die mag niemand. Medusen heißen sie auch. Wenn sie sterben, sterben sie sanft. Auf irgendeinen Strand gespült, verdunsten ihre wässrigen Körper an der Luft, bis die nächste Flut sie nach Hause holt. Ein schöner Tod.
    Warum ich an Tod dachte, ist mir ein Rätsel. Vielleicht assoziierte ich das Losgelöstsein, das Transzendieren in den Fließzustand mit Sterben. Hinübergehen nennen es die Priester. Ich frage mich allerdings, ob diese Brüder wirklich wissen, wovon sie sprechen, wenn sie vorher niemals ihre Messgewänder ausgezogen, ihre keuschen Leiber niemals diesem Labsal anvertraut haben. Egal. Ich jedenfalls hätte keinen Widerstand geleistet, wenn in diesem Nirwana plötzlich ein Engel herabgeschwebt wäre, um mich ins Jenseits abzuholen. Ich wäre einverstanden gewesen.
    Es nahten dann aber gleich zwei Engel, weibliche Stimmen, gesehen habe ich sie kaum in dieser nur von Kerzen illuminierten Dampfgrotte, aber gehört habe ich sie. Sie glitten mir gegenüber in die blubbernde Sole; dass sie mich bemerkt haben, bezweifle ich. Trieb ich doch lautlos über meiner Sprudeldüse, eine Alge in aufsteigender Strömung. Fast wäre ich eingeschlafen. Doch die beiden holten mich mit ihrem Geplapper in die Welt zurück. Sie sprachen über Männer.
    »Ich weiß gar nicht, ob ich mich noch mal auf einen einlassen soll?«, sagte die Altstimme. »Es ist zu mühsam. Die passablen Typen sind verheiratet. Die ewigen Junggesellen haben eine Macke, und die Geschiedenen … hey, bei denen ist schon eine Andere gescheitert. Wenn man Kinder hat wie ich, mag man sich nicht weiter belasten, ist meine Meinung.«
    »Ich hab auch Kinder«, erwiderte die andere, die Sopranstimme. »Aber im Urlaub, finde ich, kann so ein harmloser Flirt doch nicht schaden. Also ich hätte nichts gegen einen hübschen Charmeur …«
    »Charmant sind sie anfangs alle, keine Frage. Für ein paar Stunden oder Tage. Wenn dir das genügt? Aber mal ehrlich. Nur trinken und vögeln, das hältst du doch nicht länger als drei Tage durch. Dann bist du wund und kriegst Augenringe.«
    »Sex soll gesund sein. Für die Hormone und so«, wandte die Sopranstimme ein. »Und überhaupt. In ein paar Tagen ist die Reise sowieso vorbei. Was will man mehr?«
    Schweigen. Dann war die Altstimme wieder zu hören. »Auch im Urlaub outen sich die Kerle über kurz oder lang. Keiner kann sich länger als drei Tage zusammenreißen. Und dann hört der Spaß auf. Ich weiß, wovon ich rede. Meine letzte Urlaubserfahrung war eine Katastrophe. Echt.«
    »Erzähl, was ist passiert?«
    »Das ist keine Geschichte für Zartbesaitete.«
    »Komm, erzähl schon!«
    Wieder Schweigen. »Behalte es aber bitte für dich. Die Sache ist nicht salonfähig. Ich will keinen Ärger kriegen.«
    »Versprochen. Also, schieß los!«
    Kichern war zu hören. »Du bist witzig mit deinem Schieß los ! Das passt zu Sizilien, wo sich das Ganze abgespielt hat. Aber eins nach dem anderen. Also hör zu.«

    Es war letzten November, und im November braucht man Grog. Der schmeckt nirgendwo besser als im Friesenklön, drei Straßen von meiner Wohnung entfernt. Dort treffen sich die Volkshochschuljünger nach dem Unterricht zu weiterer Kontaktpflege. Ich habe auf diese Weise schon manche nette Bekanntschaft mit Kursteilnehmern aus Excel-für-Spediteure oder Russisch-für-Geschäftsleute gemacht, wenn auch flüchtiger Natur, das gebe ich zu. Spediteure und Geschäftsleute sind heute hier und morgen da, was nützt einem da die beste Übereinstimmung der Sternzeichen, wenn der Stier, der so wunderbar zu mir passen würde, nur am Flughafen Frankfurt oder auf dem Rastplatz Nürnberg-Feucht regelmäßig anzutreffen ist?
    Trotzdem, der Friesenklön zieht mich jeden Herbst so magnetisch an, als erwarte mich dort mein vorbestimmtes Schicksal. Nach zehn Uhr, wenn die Volkshochschüler einfallen, füllt sich das Lokal schlagartig, und man ist gezwungen, um einen Stehplatz zu kämpfen. Der Zufall wollte es, dass Albin, Stier mit Aszendent Fisch, neben mir zu Potte kam. Ich wusste sofort: der oder keiner. Stier und Jungfrau brauchen keine Worte. Beide

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