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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Kaum dass ich die Schwelle meiner Wohnung überschritten hatte, galt mein Blick den weißen Wänden, der Badewanne, den weißen Teppichböden. Es gab nur spärlich Möbel in dieser Wohnung, gerade das Nötigste: Küchenzeile, Esstisch, Bett, Fernseher. Und trotzdem. Auch bei größtmöglicher Transparenz konnte ich nie sicher sein. Es sei denn … ein Mensch würde diese Wohnung mit mir teilen und mich vor Spinnen beschützen. So wie einst meine Mutter.
    »Heirate«, riet mir Vater, » meine Wohnung ist garantiert spinnenfrei. Du kennst ja Emma.« Er hatte gut reden. Seine Emma war nun vergeben, an ihn, diesen Glückspilz. Aber er hatte recht, ich musste eine Frau finden. Bloß wo? Meine Kolleginnen in der Pathologie waren alle verheiratet, und sonst kannte ich niemanden. Ich ließ mir sagen, die Yogakurse der Volkshochschule seien ein bewährter Heiratsmarkt. Volkshochschule? Niemals wieder! Sie war ebenso kontaminiert wie meine frühere Wohnung. Blieben nur die Kneipen. Es stimmt. Frauen, die sich in Kneipen tummeln, sind gewöhnlich auf Männersuche. Was ich nicht wissen konnte: Den meisten graute es selber vor Spinnen. Eigentlich hätte ich es mir denken können, denn in meinem abgebrochenen Phobikerkurs war ich der einzige Mann gewesen. Vielleicht war es ein Fehler, bei jeder Kneipenbekanntschaft gleich den neuralgischen Punkt anzusprechen.
    »Wie stehst du eigentlich zu Spinnen?«, eröffnete ich im Allgemeinen das Gespräch und blickte der Holden erwartungsvoll entgegen.
    »Sag bloß, du hältst dir diese Dinger!«, kam es meist mit schreckverzerrter Miene zurück.
    »Unsinn, im Gegenteil«, beruhigte ich mein Gegenüber. »Sie versetzen mich in Todesangst.« Wenn ich dann mit hysterischer Ausführlichkeit mein Spinnenerlebnis schilderte, ergab sich zwar manch intellektuelles Einverständnis zwischen uns Phobikern, aber als Kandidat für eine tragfähige Beziehung war ich sofort durchgefallen. Mitleid schlug mir entgegen, manchmal sogar eine Spur Verachtung. Ein Mann, der vor Spinnen die Fliege macht? – Nein danke, kein Bedarf.
    Ehrlichkeit brachte mich nicht weiter, so viel stand fest. Ich musste mir eine andere Taktik einfallen lassen. »Ach, tut das gut, endlich wieder ein gepflegtes, kühles deutsches Bier zu zwitschern«, sagte ich mit einem genussvollen Seufzen zu den beiden Mädels an meinem Tisch und prostete ihnen zu. Die beiden nickten empfängnisbereit.
    »Hast du denn lange verzichten müssen?«, wollte die eine wissen.
    »Vier Wochen Dschungel, da gab’s nichts als Plörre.« Ich schüttelte mich in gespielter Erinnerung.
    »Dschungel, wow, das hört sich abenteuerlich an.« Sie hatten angebissen. »Wo warst du denn?«
    »Borneo. Aber ich sag’s euch gleich. Nichts für Frauen.«
    »Warum?« Ich glaube, meine Zuhörerinnen erwarteten etwas unter der Gürtellinie. Penishülle bei Wilden oder rammelnde Orang-Utans. Ihre Augen leuchteten in vorweggenommener Erregung.
    »Dort gibt es tellergroße Spinnen.« Ich machte eine krabbelnde Bewegung mit meiner Pathologenhand.
    »Iiih«, kreischten sie auf und wichen angewidert vor mir zurück. Die beiden konnte ich abhaken. So soff ich mich Abend für Abend durch die Kneipen der Innenstadt. Es half nichts. Bei keiner meiner Bekanntschaften weckte ich Beschützerinstinkte. Städterinnen – wahrscheinlich lag es daran. Dekadentes Pack! Vielleicht sollte ich mich auf dem Land umsehen? So eine robuste Landpomeranze mit Blumenerde unter den Fingernägeln und Bremsenstichen am Bein, die lässt sich doch von einem Achtbeiner nicht beeindrucken. Stimmt. Da draußen in den Käffern lernte ich manch beherztes Weibsbild kennen. »Geh, du wirst doch koa Angst vor so am armen Spinnerl hom«, lachten sie mich aus. »Die san doch nützlich. I hab oane in der Schlafkammer, die hält mir de Muckn vom Leib.«
    Großer Gott! Eine Spinne über dem Bett ! Das hieße, vom Regen in die Traufe zu kommen. Es war müßig, da draußen im Umland auf Brautschau zu gehen. Was den Städterinnen an Naturverbundenheit fehlte, sammelte sich bei den Landfrauen im Übermaß. Verdrossen schlürfte ich mein letztes Bier im »Dorfkrug« und sann darüber nach, ob ich einen Selbstmordversuch fingieren sollte, damit ich als Folge davon einen Anspruch auf Betreutes Wohnen erwirken könnte. Ein Suizidversuch, puhh, beglückend war dieser Gedanke wirklich nicht. Wer wie ich sein Brot damit verdient, erkaltete Selbstmörder zu obduzieren, weiß, wie schmal die Grenze zwischen Leben und Tod sein

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