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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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vorher erst einmal etwas studieren.«
    »Vielleicht mache ich das«, sagte ich.
    »Was?«
    »Studieren.«
    »Sieh an. Und wer finanziert das?«
    An allem, was mich anbelangte, hatte sie etwas auszusetzen.
    Sollte ein Maler nur ein einziges Bild malen, ein Musiker nur ein einziges Lied komponieren und ein Dichter nur ein einziges Gedicht schreiben, dann war doch nur eines wichtig, nämlich, dass sie es überhaupt getan hatten. So sah ich das. Huguette, dein Sohn hat einen Artikel geschrieben, über den die ganze Stadt redet. Noch nicht einmal das kannst du anerkennen?
    Die Rechnung kam. Sie gab ein üppiges Trinkgeld. Vermutlich aus schlechtem Gewissen und um mein unflätiges Benehmen wettzumachen. Eckfritz ließ sich nicht mehr blicken.
    Als wir hinausgehen wollten, ich hielt Auguste und Huguette die Tür auf, tauchte der Blaumann auf. Meine beiden Damen waren schon draußen, und ich wollte ihnen gerade folgen, da stellte er sich mir in den Weg.
    Ich schaute ihm in die Augen und sah nichts außer Stumpfsinn.
    Er grinste wie eine Mörderpuppe aus einem Horrorfilm, die mir gleich einen Eispickel in die Brust rammen wollte.
    »Wir kriegen euch schon noch dran, dich und deine Haschkumpanen. Mein Bruder wird dafür sorgen«, sagte er.
    Statt zu antworten, drehte ich den Kopf beiseite, um nicht wie beim letzten Mal seinen Mundgeruch abzubekommen, glitt seitlich an ihm vorbei und schlüpfte hinaus auf die Straße.
    Karrieremama klimperte mit den Autoschlüsseln. »Wo bleibst du denn?«
    »Ich habe noch was vor«, sagte ich.
    Mir fiel es wie die sprichwörtlichen Schuppen von den Augen.
    Drankriegen? Haschkumpane? Sein Bruder?
    Na, logisch: Anführer war sein Bruder, das hatte er gemeint.
    Als frustrierter Kleinstadtspießer und Denunziant wie Blaumann wollte ich nicht enden. Typen wie Anführer und er waren nicht nur nicht lernfähig, sie würden sich auch niemals ändern. Würde sich in diesem Kaff überhaupt jemals irgendetwas ändern?
    *
    Eine halbe Stunde später stand ich vor Andis Tür.
    Nach dem vierten Klingeln rührte sich noch immer nichts. War der Vogel ausgeflogen? Sein Käfer stand auf dem Parkplatz vor dem Rats, wo ich ihn auch schon ein paar Tage nicht mehr gesehen hatte. Sein letzter DJ-Abend war ausgefallen. Er konnte sich doch nicht mir nichts, dir nichts in Luft aufgelöst haben. Ich klopfte. Als sich nichts tat, probierte ich es mit dem Rhythmus von A Love Supreme.
    Tok-Tok, Tok-Tok.
    A Love Supreme.
    Tok-Tok, Tok-Tok.
    Plötzlich ging die Tür einen Spaltbreit auf. Na also, John Coltrane lockte das Vögelchen aus der hintersten Ecke seines Nests.
    Im Flur vernahm ich das Tappen nackter Füße auf dem Boden. Ich ging schnurstracks ins große Zimmer, in dem das Klavier stand, und fand mich in völliger Dunkelheit wieder. Die Rollläden waren heruntergelassen. Mich empfing eine Geruchswand aus Zigarettenrauch und Alkohol.
    »Was ist denn hier los?«
    Ein Streichholz ging an, und ich erkannte Andi – im Schlafanzug und mit zerwühlten Haaren aufrecht im Bett sitzend. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand. Die Gauloise klebte an der Unterlippe. Er sah müde aus. Ausgelaugt passte besser, Akku leer. Der Aschenbecher, den er auf seinen hochgezogenen Knien platziert hatte, war randvoll.
    »Was willst du?«, knurrte er.
    »Das ist hier ja wie in einer Gruft. Sind irgendwelche Depressionen im Anmarsch?«, kasperte ich.
    Er zog eine Grimasse, stellte den Aschenbecher neben das Bett und griff nach einem der Notenblätter, die um ihn herum verstreut lagen. Mit einem Bleistift kritzelte er etwas aufs Papier, entschied sich aber anders, drehte den Bleistift auf den Kopf und radierte es aus.
    Dann schrieb er wieder etwas, legte es beiseite und drückte die Kippe aus.
    »Ich glaube, jetzt hab ich es«, sagte er.
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich habe zwei Nächte durchgearbeitet. Nun ist es gut – so wie es ist.«
    Er schlug die Decke zurück, Notenblätter flatterten umher. Langsam, fast schon wie ein alter Mann, erhob er sich von seinem Lager und schlurfte zum Klavier. Der Muff war nicht zum Aushalten. Ohne mir seine Erlaubnis zu holen, zog ich die Rollläden ein Stück hoch und kippte die Fenster.
    Augenblicklich durchfluteten mittägliche Sonnenstrahlen das Zimmer, ein kleiner Windhauch brachte neuen Sauerstoff in die Künstlerbude.
    Andi blinzelte in das Licht. Die Tränensäcke unter seinen Augen hatten Ballongröße erreicht. Um den Schnurrbart hatten sich die Stoppeln zu einem dunklen Wald formiert. Die

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