Trips & Träume
Kopf werfen. Don besann sich eines Besseren und stellte ihn mit einem Seufzer zurück.
Er tat mir wirklich leid. Wie das pure Elend saß er da an seinem Sekretär. Er sackte in sich zusammen und wurde immer kleiner. Der Herr Impresario wäre am liebsten im Boden verschwunden oder hätte sich in Luft aufgelöst.
Das Businesstelefon klingelte, ätzend und schrill. Als wollte es sagen, hey, aufwachen, Kopf hängen lassen ist nicht erlaubt. Don und ich schauten uns an. Es klingelte ein zweites Mal. Dreimal, viermal.
»Willst du nicht rangehen?«, fragte ich.
Don tat desinteressiert. »Das ist bestimmt einer, der seine Rechnung bezahlt haben will.«
Ich hob ab.
»Wo bleibt ihr?«, bellte Fürst ins Telefon.
Erschrocken schnappte sich Don den zweiten Hörer und lauschte.
»Locker bleiben, Mann«, sagte ich so ruhig, wie ich nur konnte.
»Don soll seinen Hintern hierher bewegen. Ich bin gerade angekommen. Jetzt will ich sehen, ob ich auf das richtige Pferd gesetzt habe.«
Don riss das Telefon an sich. »Ich hatte noch wichtige Büroarbeiten zu erledigen. Keine Bange, es ist alles vorbereitet. Wenn du irgendetwas brauchst, wende dich an Billy, meinen Technikmitarbeiter. In einer halben Stunde bin ich da«, sagte er und legte auf.
Bis Nassau, wo Dreamlight im Vorprogramm von Witthüser & Westrupp auftreten sollten, waren es gut vierzig Kilometer, und wir hatten wieder mal keinen fahrbaren Untersatz.
»In einer halben Stunde?«
»Scheiße, irgendetwas musste ich doch sagen.«
»Du hast also noch nichts organisiert? Obwohl heute das Konzert ist? Ich glaub es nicht. Du bist doch kein Anfänger mehr«, sagte ich.
»Ich bin pleite«, jammerte er.
»Jeder gute Unternehmer hat mindestens einmal in seinem Leben einen Absturz erlebt. Das gehört einfach dazu. Du hältst ein paar Tage lang deine Gläubiger hin. Das machen alle. Big Business, verstehst du?«
Don grinste. »Von dir kann ich ja noch was lernen.«
»Und wie hängst du da mit drin in Nassau?«, fragte ich.
»Ich habe die Halle angemietet, Plakate und Tickets drucken lassen und Anzeigen geschaltet. So, wie es sich gehört. Den Vorverkauf wurde übers Fremdenverkehrsamt abgewickelt. Ich habe Schirmer angerufen und der hat seine Kollegen in Nassau gebeten, eine Ankündigung ins Blatt zu setzen.«
»Ich hoffe, du hast einen vernünftigen Deal mit Fürst.«
»60 Prozent für ihn. Der Rest für mich.«
»Und wie viele Karten sind verkauft?«
»Knapp sechshundert.«
»Und wie viele passen in die Halle?«
Er grinste wieder. »Achthundert.«
Der will mich verarschen, dachte ich.
»Okay, Impresario, da hast du ein fast volles Konzert. Und ziehst hier so eine Show ab? Wenn du dich von Fürst nicht über den Tisch ziehen lässt, dann bist du heute Abend wieder im Plus.«
*
Andi trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der VW sauste über die leere Landstraße wie LSD durch jungfräuliche Synapsen.
Die Tachonadel stand zitternd auf hundertzwanzig. Die Karosserie vibrierte wie ein Sportflugzeug beim Start. Der Wagen hatte den Trip nach Montreux überstanden, dann würde er das hier auch schaffen.
In den Kurven klammerte sich Andi ans Lenkrad. Er lächelte dauernd zu Karen rüber, die sich neben ihm auf dem Beifahrersitz lümmelte.
Don und ich klebten auf der Rückbank. Andis Fahrstil versetzte meinen Magen in einen Zustand, dass mir ganz mulmig zumute wurde.
Ein Impresario musste mit eigenem Wagen vorfahren, auch wenn es nur ein Käfer war. Wäre Bill Graham etwa nach Woodstock getrampt, als das berühmteste Festival aller Zeiten abzukacken drohte und man seine Hilfe brauchte? Nein, Graham wurde mit dem Hubschrauber eingeflogen.
Da konnte es nur recht und billig sein, Andi anzurufen und ihn um den nächsten Gefallen zu bitten. Zufällig war gerade Karen bei ihm zu Besuch.
Zufällig?
Die frischgebackene Eigentümerin eines Songs kam selbstverständlich mit. So war die Korona wieder zusammen.
Karen hatte das Fenster heruntergekurbelt und genoss mit geschlossenen Augen die letzten Sonnenstrahlen des Jahres, der Fahrtwind wirbelte ihr durchs Haar. Sie hatte sich ihrer chinesischen Slipper entledigt und die Knie angezogen. Die nackten Füße ruhten auf dem Griff über dem Handschuhfach. Nicht gerade eine bequeme Stellung, aber sie sah entspannt aus wie lange nicht mehr. Plötzlich streckte sie die Hand aus dem Fenster und zeigte auf die andere Seite des Flusses.
»Schau mal, weißt du noch?«
Ich wusste sofort, dass sie mich meinte, und brummte:
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