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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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bereits, mit wem ich es zu tun hatte.
    »Der Schlagzeuger hat einen tollen Bums«, sagte Witthüser.
    »Zufällig kenne ich den«, merkte ich an.
    Westrupp nahm ein Taschentuch und putzte seine Brille. »Wir sollten den mal fragen, ob der auf der nächsten Platte mitmachen will.«
    Das also waren Bernd Witthüser und Walter Westrupp. Die freakigen Straßenmusiker, Liedermacher und Protestsänger aus dem Ruhrpott.
    Ihre Instrumente standen fein säuberlich aufgereiht am Bühnenrand. Sie hatten keine großen Boxen mit schweren Verstärkern drauf, keine Schießbude mit sechs Becken und vier Toms. Ihr Equipment passte in einen kleinen Kombi und konnte in kürzester Zeit aufgebaut werden.
    Zwei akustische Gitarren und ein elektrischer Bass. Dann entdeckte ich noch Zither, Flöte, Posaune, Trompete, eine Snare und eine Bassdrum. Schließlich diverse Glöckchen, Rasseln, Radkappen und andere Bleche, die das Duo als Perkussionsinstrumente gebrauchte. Damit konnten sie in jeder Fußgängerzone auftreten, aber auch auf einer großen Bühne.
    Ihre ungewöhnliche Folkmusik war seit Erscheinen der neuen Platte vor wenigen Wochen richtig hip. Sie waren zu kleinen Stars des Krautrock-Underground avanciert. Selbst im Rats spielte man sie neuerdings.
    Angeblich hatten sie eine Teebeutelhochhebemaschine erfunden, TeHoMa genannt. Das von ihnen komponierte Solokonzert für elektrische Kaffeemühle war legendär, mir aber noch nicht zu Ohren gekommen. Sie sangen von Nonnen und Vampiren, von Petrus, der den Shit in den Himmel gebracht bekam, sie besangen die Abenteuer von »Karlchen«, einem Hund, der angetörnt durch die Welt lief.
    Westrupp musterte mich mit hellwachen Augen. Sein dunkles Haar reichte gerade über die Ohren, der Vollbart war gepflegt und geschnitten. Er trug eine abgewetzte Breitcordhose und ein schwarzes kurzärmeliges Hemd, seine strumpflosen Füße steckten in Sandalen. Witthüser war einen Kopf größer als sein Partner, das lange schwarze Haar hinter die Ohren geklemmt. Er hatte Jeans und ein weißes T-Shirt an, darüber so eine Art Arbeiterweste mit vielen kleinen Taschen. Sein Blick schien mich zu durchbohren.
    Wie abgesprochen lächelten sie mich von einer Sekunde auf die andere freundlich an. Mir schwante, ihnen steckte der Schalk im Nacken.
    »Magst du Musikerwitze?«, fragte Witthüser. »Nach einem Auftritt fragt der Drummer die anderen in der Band, ob er was tragen helfen soll. Antwort: Nee, lass mal. Du hast heute schon genug geschleppt!«
    Sie grinsten breit.
    »Ich kenn auch einen«, sagte ich.
    »Dann erzähl mal«, sagte Westrupp.
    »Treffen sich zwei Schlagzeuger. Sagt der eine: Ich habe jetzt Sechzehntelnoten gelernt. Sagt der andere: Super, lass mal eine hören.«
    Augenblicklich bekamen sie einen Lachanfall. Westrupp hüpfte kichernd im Kreis herum. Witthüser kreischte, beugte sich nach vorn und schnappte nach Luft. Er hatte Tränen in den Augen. Dann mussten beide husten. Sie klopften sich gegenseitig auf den Rücken.
    Westrupps Gesicht war rot angelaufen.
    »Der ist gut, richtig gut. Den müssen wir uns merken.«
    Witthüser rieb sich noch immer die Augen. »Was machst du hier, zu wem gehörst du? Du scheinst Fürst zu kennen, oder?«
    Ich beichtete ihnen alles. Wie mit Guru Guru das Musikfieber ausbrach. Dann der Anruf bei Fürst und die Vorentscheidung. Ließ auch Montreux und Magma nicht aus. Schließlich das Festival im Zelt. Ich berichtete ihnen von Andi und Mark, den großen Talenten, die sich aber nicht riechen konnten. Ich erzählte ihnen von meinen Befürchtungen, dass Fürst alles kaputtmache, wie alles auseinanderzudriften schien, jetzt, wo die Szene es so weit gebracht hatte.
    Es sprudelte nur so aus mir heraus. Weil ich das Gefühl hatte, dass sie mich ernst nahmen. Weil es mir plötzlich ein Bedürfnis war, mit jemandem zu reden, der nicht zu unserer Korona gehörte.
    Was zum Teufel machst du da, dachte ich, als ich so gut wie fertig und bei Dons drohender Insolvenz angekommen war.
    »Ja, so ist er. Fürst, wie er leibt und lebt«, sagte Westrupp.
    Ich wurde hellhörig. »Wie meinst du das?«
    »Fürst kann Leute begeistern. Mit seiner Energie hat er schon einiges auf die Beine gestellt. Die Musikszene im Lande wäre nicht da, wo sie jetzt ist, respektiert und anerkannt, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Die Bands, die er rausgebracht hat, haben ihm viel zu verdanken. Manchmal muss man ihn bremsen, sonst schießt er übers Ziel hinaus. Man muss ihn zu nehmen wissen.«
    Witthüser

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