Trips & Träume
»Ja.«
Ich glaube nicht, dass sie mich hörte, die Geräusche des Wagens und der Fahrtwind verursachten eine orkanartige Klangkulisse. Außerdem hörte mein Magen nicht auf zu rebellieren.
Wir passierten Zabriskie Point.
Die schmale Straße führte durch ein enges Tal. Die Hänge waren bewaldet, nur eine Stelle war kahl. In dieser Schneise wuchs nichts mehr.
Über eine Fläche von einem Quadratkilometer ragten riesige Sandhügel ins Tal hinein. Die Szenerie war unwirklich, fast wie gemalt. Wie der Sand dort hingekommen war, blieb ungeklärt. Wahrscheinlich hatte man irgendetwas abbauen wollen, vielleicht waren Erze tief im Berg verborgen. Doch dann war das Vorhaben aufgegeben worden und der Sand einfach liegen geblieben.
»Wie Dünen«, sagte Andi, ohne die Augen von der Straße zu nehmen.
»Morgens sind sie gelb, mittags grün und abends rot«, antwortete Karen.
Am Zabriskie Point hatte ich vor einem Jahr die Szeneweihen erhalten. Von dem Platz wussten nur die Freaks vom Hausboot, Hucky, Werner und Jule. Eines Tages hatten sie mich und Karen in ihrem Bus mitgenommen, ohne zu verraten, wohin es ging. Wahrend der Fahrt wurde ein fetter Joint geraucht. Dann kraxelten wir stundenlang angetörnt über die Sandhügel.
Karen und ich gingen am Zabriskie Point zum ersten Mal auf eine Reise wie in dem Song von Witthüser & Westrupp.
Eine Reise, die noch immer andauerte und die durch das Musikfieber eine neue Qualität erhalten hatte.
Lass uns auf die Reise gehen, anderes Land zu suchen.
Der echte Zabriskie Point lag im kalifornischen Death Valley und war nach einem Wissenschaftler benannt. In dieser Wüste standen noch größere Dünen, die nach Jahrhunderten unter der Hitze hart wie Beton waren und je nach Stand der Sonne alle Farben eines Regenbogens spiegelten.
Wenn wir über unseren Zabriskie Point kletterten, kamen mir die Szenen aus dem gleichnamigen Film von Michelangelo Antonioni in den Sinn.
Der Höhepunkt des Streifens war die Explosion einer Villa in den Bergen, gefilmt aus mehr als dreißig verschiedene Einstellungen. Dazu erklang die Musik von Pink Floyd. Der Film war kommerziell ein Flop und schnell wieder aus den Kinos verschwunden. Die Kritiker sahen in ihm einen Aufruf zu Gewalt gegen Sachen. Ich aber war völlig eingenommen von den grandiosen Bildern, die Antonioni auf Zelluloid gebannt hatte.
Wegen der Explosion und des Wüsten-Love-ins auf den Dünen war ich zweimal hineingegangen. Ich verstand trotzdem nicht genau, was die Aussage war. Aber ich spürte, dass Antonioni ihn wie ein eine Warnung inszeniert hatte. Misstraue den Spießern, dem Konsumterror und seinen Verführungen.
Auf unserem Zabriskie Point ging es profaner zu. Immerhin weckten die Ausflüge in mir den Sinn für alles Psychedelische. Doch hier und jetzt im Sommer des Musikfiebers waren wir kein einziges Mal hinausgefahren. Wir befanden uns auf einem anderen Trip.
Ich hing meinen Gedanken nach und merkte nicht, dass wir bereits Nassau erreicht hatten. Erst als Andi vor dem Eingang der Stadthalle parkte, dämmerte es mir. Ich erkannte die Witthüser & Westrupp-Plakate, die über die Fensterfront der Halle geklebt waren und uns in knallrot begrüßten.
Sie waren mit einem Aufkleber versehen: Special Guest: Dreamlight!
Don hatte seine Pleitegeierunterlagen mitgenommen und marschierte mit der Aktentasche unterm Arm als Erster durch die Schwingtür.
Als ich hinter Andi und Karen (sie hielten nicht Händchen) die Halle betrat, waren Mark und die Jungs gerade beim Soundcheck. In der Mitte war ein großer Tisch mit einem Mischpult aufgebaut, an dem Billy hantierte. Daneben stand Fürst. Bei ihm waren zwei Typen, die ich noch nie gesehen hatte, und natürlich Rosie. Auf das Tarotmädchen hatte ich gar keinen Bock. Todeskarte und esoterisches Zeugs, davon wollte ich nichts mehr wissen.
Rosie begrüßte Karen und Andi. Dann gab mir Karen ein Zeichen, die drei wollten anscheinend einen Gang durchs Städtchen machen.
Don und Fürst verzogen sich in Richtung Backstage. Wahrscheinlich würde Don jetzt ein paar Tipps vom großen Plattenboss erhalten, wie er den drohenden Untergang verhindern konnte. Billy ging zur Bühne, um Skip bei der Einstellung der Bassanlage behilflich zu sein. Paul drehte an seinem Verstärker, anscheinend hatte auch er ein kleines technisches Problem. Mark drosch ein paar Breaks in die Felle, die durch die leere Halle donnerten.
Ich stand plötzlich allein mit den beiden Typen am Mischpult. Mir schwante
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