Trips & Träume
wollte Mark zur Rede stellen. Aber irgendwie habe ich es wohl falsch angestellt.« »Du hast ihn gefragt ...?«
»Ja, er möge mir bitte sagen, wieso die Songs identisch sind.«
»Was hat er geantwortet?«
»Er fing an, sarkastisch zu werden. Und dann war ich, wie du schon richtig beobachtet hast, verunsichert und irgendwie durch den Wind.«
»Beruhige dich, es ist vorbei.«
»Bei Mark muss man größere Geschütze auffahren.«
»Und die wären?«
»Vielleicht sollte ich den Songdiebstahl öffentlich machen.«
»Wow!«
»Was?«
»Das musst du wissen, du bist der Journalist.«
»Es muss ihm richtig weh tun.«
»Willst du einen Schlägertrupp auf ihn ansetzen?«
»Quatsch. Er muss es spüren, seine Ehre, sein Ansehen, seine Credibility. Ach, ich weiß auch nicht.«
»Das hört sich an, als wolltest du Rache nehmen?«
»Ich will die Wahrheit wissen. Und wenn dies der einzige Weg ist, sie aus ihm rauszuholen, dann bitte. Du willst ihm das doch auch nicht durchgehen lassen?«
»Was meinst du?«
»Er verdient verdammt viel Geld mit einem Lied, das nicht von ihm stammt. Da geht es um Tantiemen, die wahrscheinlich dir zustehen.«
»Er soll sein schmutziges Geld behalten.«
»Damit könntest du deine Musikerkarriere vorantreiben. Übrigens, was ist das für ein Sound, den du gerade in den Player geschoben hast?«
Aus der Autoanlage kamen interessante Klänge, sehr experimentell.
Er deutete auf die Laptoptasche auf dem Rücksitz. »Das sind nur ein paar Ideen, Fragmente, die ich am Computer entwickelt habe.«
»Gefällt mir.«
»Wirklich? Das freut mich.«
»Arbeitest du nicht am Klavier?«
»Doch, natürlich. Zuerst mache immer ein paar Samples und Loops, dann programmiere ich die Beats. Und dann erst kommt die Band dazu.«
»Wie alt bist du jetzt«, fragte ich.
»Zweiunddreißig. Warum? »Es hat wohl lange gedauert, das mit der Musik ins Laufen zu bringen?«
»Ich brauchte Zeit, um zu akzeptieren, dass ich jemand bin, der erst einiges ausprobieren muss. Die richtigen Mitspieler zu finden, für das, was ich machen will, das war auch nicht einfach.«
»So war Andi auch.«
»Wie meinst du das?«
»Immer auf der Suche sein. Der perfekte Song, der perfekte Klang, genau das war sein Ding. Ich würde gern mal deine Band hören.«
»Du bist der Erste, dem ich eine CD zuschicken werde, wenn sie denn rauskommt.«
»Dann schreibe ich auch eine Besprechung, versprochen.«
»Über was schreibst du so als Musikjournalist?«
»Ach, das Übliche. Ich muss ja von irgendetwas leben.«
»Was ist das, das Übliche?«
»Das, was in allen Blättern steht. Publikumsgeschmack. Große Namen, die sich gut verkaufen. Ich mache hauptsächlich Interviews und verticke die an Stadtmagazine und Tageszeitungen.«
»Dann musst du gute Kontakte haben, um an die Stars ranzukommen.«
»Im Grunde bin ich nichts anderes als ein journalistischer Stricher.«
»Was meinst du damit?«
»Dass ich meinen Auftraggebern nach dem Mund schreibe. Nehmen wir mal an, irgendein Rockstar bringt eine neue Platte raus. Eine Tournee steht an. Man setzt den Journalisten in den Flieger, er trifft den Künstler in einem schicken Hotel in London. Aber nicht exklusiv. Zwanzig andere Schreiber sind auch mit von der Partie. Der Journalist macht sein Interview. Fünfzehn Minuten, mehr geben die einem nicht. Und ab mit der nächsten Maschine zurück.«
»Das klingt doch aufregend.«
»Nehmen wir mal weiter an, die Platte des Rockstars ist mittelmäßig, vielleicht ist sie sogar richtig schlecht, soll ja vorkommen. Wenn der Journalist nun genau das wahrheitsgemäß schreibt, wird er beim nächsten Mal nicht mehr eingeladen. Die Plattenfirmen wollen CDs verkaufen, die Veranstalter Tickets. Mit kritischem Journalismus hat das nichts mehr zu tun.«
»Marketing ist heute mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Das ist nicht nur im Musikbusiness so«, antwortete William.
»Ich kann es mir nicht leisten, nicht eingeladen zu werden. Ich habe eine Familie, Verpflichtungen und so weiter. Also schreibe ich nicht, dass die Platte schlecht ist, ich winde mich irgendwie drum herum. Und alle sind zufrieden. Der Künstler, die Plattenfirma, der Veranstalter. Und ich werde wieder eingeladen. Musikkritiker im klassischen Sinne gibt es kaum noch. Aber versteh mich nicht falsch. Ich habe es mir selbst ausgesucht.«
»Okay«, sagte William. Er blickte aus dem Fenster, bog links in eine mir wohlbekannte Straße ein. Da wären wir wieder, dachte ich.
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