Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
Vom Netzwerk:
etwas zu unternehmen und schlich an der Boxenwand entlang, bis ich auf einer Höhe mit Schmunz war. Der Nebel war so dicht, dass ich meine Hand nur sah, wenn ich sie ganz nahe an die Augen hielt. Eine Taschenlampe wäre jetzt genau das Richtige, schoss es mir durch den Kopf.
    Als ich das Piano erreichte, war es bereits zu spät. Schmunz war aufgesprungen und hatte seinen Platz verlassen. Ich sah noch den Zipfel seines roten Hemds durch den Gang in der Boxenwand verschwinden. Das Wah-Wah rauschte in der Grundeinstellung weiter vor sich hin.
    Schschschschschsch.
    Fränki hatte ebenfalls entschieden zu handeln. Mit ungeheurer Emphase drosch er auf die Saiten seines Basses ein. Doch statt eines sauberen Tons röhrte nur ein tiefes Brummen aus den Boxen der Anlage.
    »Scheiße, Mist, verdammter!«, hörte ich ihn fluchen.
    Er schnallte den Bass ab und knallte ihn wutentbrannt auf die Bretter der Bühne. Das Brummen brach automatisch ab, wie von Zauberhand gesteuert. Wahrscheinlich hatte Billy mitgedacht und die PA runtergefahren. Fränki hatte längst das Weite gesucht und war nicht mehr zu sehen.
    Mein Gott, was für ein Desaster.
    Michael, der Gitarrist, bislang noch gar nicht in Erscheinung getreten, legte in aller Ruhe sein Instrument zur Seite, marschierte rüber zu Achter, dem Schlagzeuger, und sagte, dass auch ich es hören konnte: »Alter, du musst den Auftritt retten. Mach ein Solo!«
    Sofort hämmerte Achter auf die Schießbude ein, die Stöcke flimmerten in der Luft, die Felle vibrierten, Becken krachten.
    Achter gab alles. Na endlich, es ging zur Sache!
    Ich schlich zum Boxengang und warf einen Blick durch den Schlitz.
    Fränki und Schmunz standen an der Pfeife und inhalierten, dass die Funken flogen. Während ihr Drummer sich da draußen abrackerte, hatten die Kerle nichts anderes im Sinn, als sich eine Dröhnung zu verpassen.
    Ich dachte kurz darüber nach, ihnen die Meinung zu geigen, da nahm ich aus den Augenwinkeln wahr, wie Achter wild mit den Stöcken herumfuchtelte und mit dem Kopf Zeichen gab.
    Meinte er mich?
    Wenn ich es richtig deutete, sollte ich ihm irgendetwas in den Mund stecken. Aber was, und warum gerade in den Mund?
    Auf allen vieren kroch ich zum Schlagzeugpodest. Jetzt erkannte ich es. Aus Hänge-Tom und Stand-Tom hingen Plastikschläuche heraus.
    Damit konnte man Luft in den Korpus der Trommel blasen, bei richtiger Beherrschung der Technik ergab das einen lustigen Effekt, der Sound der Toms wechselte von hoch zu tief und umgekehrt. Ich griff mir den Schlauch aus der Hänge-Tom und suchte Achters Mund.
    Ich traf ihn genau ins Auge.
    Er kippte rücklings vom Hocker und polterte vom Podest. In seinem Unglück krachte er gegen die Boxenwand, die gefährlich ins Wanken geriet. Ich sah Sonny und Moses herbeieilen, die sich sofort gegen die Boxen stemmten und so ein Umkippen verhinderten.
    Der Auftritt von Inri war gelaufen. Von den Musikern war keiner mehr zu sehen. Achter war auch weg.
    Das Publikum tobte. Die Freaks vor der Bühne waren aufgestanden und veranstalteten einen Veitstanz. Was für ein Spaß, so etwas hatten sie noch nie gesehen. Gejohle. Schreie. Schadenfreudige Rufe nach Zugabe.
    Billy hatte die Saalbeleuchtung und die Musikberieselung wieder eingeschaltet. Die Menge vor der Bühne stob auseinander, an der Theke bildeten sich erneut durstige Menschenschlangen.
    Inri waren jetzt Gesprächsstoff für die nächsten zehn Jahre.
    Als Fränki mich kommen sah, stand in seinem Gesicht die pure Wut. »Du Arschloch, du hast unseren Auftritt ruiniert!«
    *
    Ich stand rechts von der Boxenwand und schaute hinaus ins Zelt.
    Die sanften Töne von Tara Folk, drei akustische Gitarren und Maras Stimme, hatten das Publikum in eine entspannte Stimmung versetzt. Das Festival hatte zwar einen grandiosen Fehlstart hingelegt, doch jetzt lief es bestens. Nach dem Inri-Absturz hatte ich erwartet, die Freaks würden die Bühne stürmen oder zumindest ihrem Unmut mit Buhrufen freien Lauf lassen.
    Nichts dergleichen war geschehen.
    Wie die Leute nun friedlich dasaßen und der Musik von Tara Folk lauschten, damit war nicht zu rechnen gewesen. Jetzt hatte sich eine Art Woodstock-Schmuseatmosphäre breitgemacht. Ein paar Hippies malten wie Moondog beim Guru-Guru-Konzert verzückt Spacebilder in die Luft.
    Doch irgendetwas kam mir merkwürdig vor. Die Feuerwehr, wo war die eigentlich abgeblieben? Ich entdeckte sie am Eingang zur Backstage. Die drei Typen in ihren Uniformen machten einen jämmerlichen

Weitere Kostenlose Bücher