Trips & Träume
Eindruck.
Toni und Erwin mussten ihnen tatsächlich was ins Bier geträufelt haben. Wie sie es angestellt hatten, wusste ich nicht. Was auch immer es war, das sie ihnen untergejubelt hatten, die Feuerwehr war nun auf einem ganz besonderen Trip. Der jüngste Blaurock war bereits mächtig aus der Fassung geraten. Ihm hing der Kopf schlaff auf der Brust, als würde er im Stehen pennen. Seine Klamotten entsprachen auch nicht mehr ganz der Vorschrift. Aufgeknöpfte Jacke, das Hemd aus der Hose gerutscht, die Dienstmütze verschwunden.
Die beiden anderen bewahrten immerhin noch Haltung, auf den ersten Blick schien alles in Ordnung. Sie standen stramm, die Mützen unter den Arm geklemmt. Mit ihren Köpfen aber stimmte etwas nicht. Als trotzten sie einem Wirbelsturm, der sich wohl eher in ihrem Innerem abspielte, zeigten ihre Haare in alle Richtungen.
Das musste ich mir näher anschauen.
Ich versuchte eine Konversation in Gang zu bringen »Guten Abend, die Herren. Wie läuft es denn so, ist alles zu ihrer Zufriedenheit?«
Ich blickte in die Runde.
Der mit dem hängenden Kopf öffnete nach einer endlos langen Sekunde die Augen. Ich erkannte deutlich ein paar geplatzte Äderchen. Scheiße, hoffentlich hatte das nichts Schlimmes zu bedeuten. Die Feuerwehr ins Krankenhaus einzuliefern, käme nicht so gut. Die beiden anderen blickten mit bleichem Pokerface geradeaus und durch mich hindurch.
Sie wirkten wie lebende Leichen.
Der hängende Kopf begann auf einmal zu reden. »Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt. Euer Festival ist der Knaller, wirklich. Alle benehmen sich ordentlich, keiner raucht auf der Bühne, das ist vorbildlich, würde ich sagen. Und danke für das Bier, das ist echt nett von euch.«
Während er das sagte, bewegte sich der Kopf keinen Millimeter. Dann schloss er wieder die Augen. Mit beiden Händen hielt er eine Flasche Pils fest umschlossen. Seine Kollegen standen weiterhin stramm.
Die waren komplett weggeschossen.
»Ja, dann. Viel Spaß noch, die Herren«, verabschiedete ich mich und ging hinter die Boxenwand.
Toni und Erwin zündelten schon wieder. Eine Pfeife von der Größe eines Medizinballs war nur schwer am Brennen zu halten. Toni probierte es jetzt mit einem richtig großen Feuerzeug. Es hatte die Form einer Pistole.
Ich hielt die Hand an die Pfeife. Das Ding war glühend heiß. Sofort zog ich meine Finger zurück.
»Was macht ihr da?«, fragte ich.
»Alter, stör uns nicht bei der Arbeit«, antwortete Erwin. Er brach einen Brocken von der Dopetafel und bröselte sich etwas davon in die Hand, um die nächste Törnladung vorzubereiten.
Don fegte um die Ecke. »Was stehst du hier rum, hast du nichts zu tun?« Das Haar klebte ihm schweißnass im Gesicht, seine Hose war verdreckt. Die Augen flogen hin und her. Wie unter Strom. Monsieur 100 000 Volt.
»Ich habe dir das Toilettenproblem vom Hals geschafft.«
Don warf sich in Pose. »Hör mir bloß damit auf. Ich bin sauer. Der dicke Eckfritz hätte das regeln müssen, das war seine Baustelle. Jetzt soll ich einen Tausender dafür hinlegen. Aber da hat er sich geschnitten, nichts werde ich bezahlen.« Er ging voll in der Impresario-Rolle auf.
»Cool bleiben und erst mal was rauchen«, sagte Toni.
Drei Züge, und ich war in dicke Kiffwolken gehüllt.
»Damit könnte man glatt Nebel auf der Bühne machen«, sagte ich.
Toni grinste, in seinen Tennisbällen regte sich etwas.
Dann sah ich sie auch schon auf mich zukommen.
Miti trug braune Mokassins aus Wildleder, ein weißes T-Shirt und einen braunen, knielangen Rock, vorn mit Taschen dran. Das brünette Haar fiel ihr in kräftigen, lockigen Strähnen auf die Schulter. Das T-Shirt betonte die Form ihrer Brüste, die Hände steckten in den Rocktaschen, auf ihren eleganten, dünnen Armen sah man einen feinen Härchenflaum.
Im Müsli hatte ich keinen Gedanken an sie verschwendet. Ich hatte sie voreilig unter Hippiefreundin von Karen abgelegt. Doch jetzt war ich komplett von ihr beeindruckt. Wie ein Flower-Power-Girl sah sie nicht aus. Ich schätzte sie auf zweiundzwanzig. Sechs Jahre älter und einen Kopf größer als ich. Ihre Brustwarzen bildeten kleine Spitzen auf dem T-Shirt. Ich trat wortlos zur Seite, um sie an die Pfeife zu lassen. Für einen kurzen Moment berührte ihr weicher, braungebrannter Arm meine Hand.
»Danke«, hauchte sie und lächelte mich an.
Was war denn mit mir auf einmal los?
Ich wollte unbedingt lässig wirken, aber es war nicht mehr zu verhindern, ich spürte, wie
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