Trisomie so ich dir
aneinander vorbei, im Halbdunkeln des Zimmers hält sich mehr Traurigkeit auf, als es in diese beiden Körper zu passen scheint. Die ganze Belanglosigkeit wird von Zellstofftüchern abgewaschen, ein Kondom wird oben verknotet, und dann kommt da eine Leere auf die beiden runtergerauscht, die so leer ist, dass man fast ein neues Wort für Leere bräuchte. Ein Blickkontakt ist nach dem Fickkontakt unmöglich geworden, weil beide wissen, Solveig und Emil, dass der Beginn einer guten Zukunft sich anders anfühlt. Irgendwann fängt einer dann an zu gehen, irgendeinen Quatsch vom letzten Bus zu reden, obwohl schon lange keiner mehr fährt, und verschwindet. Ein letzter flüchtiger Kuss wird vom flüchtenden Menschen angeboten. Der andere Part bleibt liegen, unbefriedigt von allem, die böse, unemotionale Welt verfluchend, deren Bestandteil man doch selbst ist, was man aber beflissentlich verdrängen kann.
Hier war nichts zu holen, außer Demut, denkt sich Solveig, als sie allein in ihrem Bett liegt und die Wände und die Decke näherkommen fühlt. Ganz langsam bewegen sie sich auf sie zu, wollen ihr zuleibe rücken, sie letztendlich zerquetschen und ihr beweisen, dass sie diese Hilflosigkeit, die in ihr tobt, nicht mit sexuellen oder sonstigen Events dezimieren kann.
Liebe, denkt Gott, Liebe ist so was von out. Das ganze Prinzip der Liebe funktioniert nicht mehr. Einst war es eine gute Erfindung, um die Leute irgendwie zu kontrollieren. Die Grundidee der Liebe war es nämlich ursprünglich, dass jede und jeder einen Platz findet, irgendwo eine Sicherheit genießen kann, die Verliebte harmomisch karamellisiert und mit einer zuckrigen Dummheit ausstattet. Verliebten Menschen ist viel egal, was außerhalb ihrer Liebe stattfindet. Außerdem sollten durch die Liebe neue Menschen entstehen, daher wurde die Geilheit entwickelt, auch für hässliche Geschöpfe.
Fortpflanzung kann jeder, so hieß es damals, und die Leute standen am Ufer dieses Gefühlssees und starrten versonnen in die Weite, ausgestattet mit intensiver Scheißegalheit, was denn hinter dem Horizont noch läge.
Wenn Leute nur an der Oberfläche dieses Gefühlssees schwömmen oder sich weiterhin lediglich am Ufer aufhalten würden, würde das auch alles funktionieren, aber irgendwann kamen die Leute an und hatten Taucherausrüstungen dabei und wollten den See der Liebe brutal durchtauchen, um jeden noch so entlegenen Winkel kennen zu lernen. Und daran ist die ganze Sache dann gescheitert. Alle wollten zuviel wissen, und als dann alle alles wussten kam eine große Langeweile über die Leute. Diese verdammte Langeweile, die sich in absolut harmonischen Leben befindet, die führte langsam aber sicher zu einer Grundaggression. Die ewig gleichen Tage mit den ewig unspannenden Menschen zu erleben, dass führte zum Verlust der eigentlichen Idee von Rückhalt. Die Abspaltung der Geilheit von der Liebe tat ihr übriges. Diese Grundaggression schlachtete Herzen aus und machte unglaublich viele liebesunfähige Opfer, die heute in den Praxen der Psychoanalytiker und Aushilfsschamanen Schlange stehen und nicht wissen, wie ihnen geschieht. »Damals konnte ich noch lieben, heute ist alles leer da drin«, hört man die ehemals Gefühlsduseligen jammern und auf den Ort in ihrer Brust deuten, wo sie mal ein funktionstüchtiges Herz hatten. »Denen wurde die Liebe amputiert«, denkt Gott und schlussfolgert: »Selber schuld!«
Diletalentiert und disziplaniert
Das Elend der Beerdigung noch im Kopf. Und so traurige Wörter in den Ohren. Obwohl doch vorher schon alles klar war, obwohl schon vorher Zeit genug war, sich auf genau diese Art von Abschied vorzubereiten. Ingeborg stand dann noch lange vor dem Loch, in das sie Hermann gegeben hatten und wusste doch, dass er eigentlich schon viel früher gestorben war, aber die Tiefe, in die er nun gebettet wurde und der geschlossene Eichensarg, den sie sich kaum leisten konnte, ließen keine Zweifel mehr zu. Still war es auch schon vorher, aber die neue Stille ohne Hermann hatte eine neue Qualität. Sie war viel leiser als alle zuvor bekannten Stillen, denen Ingeborg begegnet war.
Den Mann, die Liebe, das Alles zum Festhalten, zum Sinnmachen, das musste sie in ein Loch lassen und dann Erde drüber und ein Stein drauf, und weil die Sache nicht vorbeigeht mit der Liebe bringt auch die dünne Schicht Erde nichts. Sehnsucht besteht.
Und dann, eine Woche später, muss sie, um nicht zu verhungern, einfach nur ein Brot kaufen, und die
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