Trisomie so ich dir
stemmen, und schneller als schnell ist die Kotze im Hals, dann im Mund, und die Schleuse geht auf, und Solveig kniet auf dem Boden, gekrümmt wie ein getretener Hund. Die Getränke kommen zurück und auch ein wenig Essen, und um sie herum bildet sich ein See aus den Resten einer Nacht. Irgendwo in der Hand hält sie noch ihren Schlüssel, aber es geht kein Licht im Treppenhaus, und die Ausweglosigkeit der Dunkelheit demotiviert Solveig, weiter in die Dunkelheit zu stochern. Stattdessen vergrößert sie den See und langsam versinkt sie darin …
Wozu Gehirne, wenn die Menschen doch nur fühlen, denkt Gott. Wozu Logik und Dinge, die erfahrungsgemäß gut ausgehen, wenn doch dann alle selbstzerstörerisch in Abgründe laufen. Wenn das Gehirn einen Aushang ins Schaufenster seines Gemischtwarenhandels hängt auf dem »Bin gleich wieder da« steht, was ist dann noch möglich außer: ALLES!!! Außer Kontrolle geraten nur die, die sich mit der Kontrolle nicht auskennen. Exzess ist gut für Leute, denkt Gott, sie fühlen sich dann endlich mal kurz frei, aber dass die Freiheit innerhalb von Räuschen auch kein Endzustand ist, dass muss sich jeder als Erfahrungsschatz selbst ausbuddeln. Jeder für sich. Einige werden Junkies, weil sie die Grenze zu oft überschreiten und damit ihren eigenen Verwelkungsprozess beschleunigen, andere werden abstinent, weil sie Angst vor Kontrollverlust und Lebensverkürzung haben. Und es gibt die, die zwischen beiden Welten ein Zuhause gefunden haben, die, die auf der Suche nach dem perfekten Rauschmoment sich mal langweilen und mal alles voll kotzen. Es gibt sie alle, und jeder macht irgendwie Sinn. Wahrscheinlich, so denkt Gott, gibt es in unserer Gesellschaft keine unverzichtbaren Normen mehr, was sich sehr gut am verschiedenartigen, unzusammenfassbaren Rauschverhalten der Leute ablesen lässt. Die Hemmschwellenübertreter und die Bleibenlasser haben beide ihre Wertesysteme, die sie aufrecht halten. Gott sieht sie verwelken, alle, aber das ist doch, was aus jedem wird, egal wie er sich düngt und gießt, verwelktes Material, Gammelfleisch, verschacherte Reste.
… und wir erleben unnacherzählbare Dinge
Ganz zufrieden ist die Ingeborg, als sie so neben dem behinderten jungen Mann sitzt und mit dem Bus durch die Nacht wackelt. Endlich hat sie jemanden gefunden, der sie versteht, denkt sie. Die Einsamkeit, die seit dem Tod von Hermann immer neben ihr steht, wird durch die Existenz des Jungen an ihrer Seite unwichtig. Den schickt der Himmel, denkt sich Ingeborg, und der Himmel denkt sich nichts zurück. Und der Junge sitzt da wie ein gut erzogener Sohn, der Sohn, den sie nie hatte. Ingeborg blickt kurz und verstohlen den Roy von der Seite an. Mein eigenes Problemkind, denkt sie, und sie entfernen sich vom Ort ihres Zusammentreffens. Roy, der sich weder für ein Kind, noch für ein Problem hält, schweigt gutmütig und fragt sich, was er denn auch sonst tun soll. Er lässt sich in diesen Zufall der Begegnung fallen.
Draußen turnt die dunkle Stadt vorbei. Scheinwerfer werfen Schein ins Innere des Busses. Die Lebendigkeit der Stadt ist viel schneller als Ingeborg es in diesem Leben noch sein können wird und als Roy es in diesem Leben noch verstehen können wird. Da sitzen sie im Bus, die alte Frau und der Mongo, denkt sich der Busfahrer, als ob es da was zu denken gäbe. Sie sitzen nur da und fahren mit dem Bus. Es ist die Einfachheit ihrer Gesichter, das unaufdringlich Gewöhnliche, was von ihnen abstrahlt, das den Busfahrer schnell wieder an seinen letzten Thainuttenbordellbesuch denken lässt.
Hinten im Bus schläft ein abgerissener Mann, der auf einem Hund liegt. Ingeborg ist egal, was sonst noch stattfindet, außer dem, was der junge, behinderte Mann gerade für sie ausmacht.
Die alte Frau in Gedanken. Da fällt ihr ein, warum sie denn eigentlich keine eigenen Kinder hat. Das haben sie nämlich versucht, Hermann und Ingeborg. Nachwuchs zu zeugen. Sehr oft sogar und lange, und manchmal tat es sogar weh. Und als es nach einem Jahr immer noch nicht geklappt hatte mit dem Kinderzeugen, da sagte Hermann, dass Ingeborg vielleicht krank sei an der Scheide oder Gebärmutter und mal einen Arzt aufsuchen sollte, an ihm könnte es wohl nicht liegen, dass hier kein Kind entstehe. Ingeborg suchte also einen Arzt auf und konfrontierte ihn mit ihrem Problem der Kinderlosigkeit trotz ehelicher Sexualturnerei. Der Facharzt für Frauenheil- und Geburtskunde legte sie auf eine Liege, die Beine musste
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