Trisomie so ich dir
Richtung erfahrene Frau unterwegs ist. Ihre romantische Verpeiltheit ließ sie in seine Arme gleiten, und als er genug davon hatte, nur in einem Paar Armen zu liegen, verließ er sie und ihr kleines, unbedeutendes Leben, um sich in ein vermeintlich größeres zu stürzen. Sie wäre fast daran gestorben, glaubt sie, an Herzbruch. Es reichten nur wenige Worte an sie aus, um sie in ihn verliebt zu machen, aber noch weniger, um alles kaputt zu treten. Für sie war das emotionale Band zu ihm etwas dicker gesponnen als das von ihm zu ihr. Solveig kroch auf der Erde zu seinen Füßen, er war nur noch genervt und froh, als er endlich in eine andere Stadt zog, wo er sich nicht mehr mit der schwachen und emotional zersplitterten Solveig auseinander zu setzen hatte.
Nachdem aber wieder etwas Stärke in Solveigs Bewusstsein zurückgekehrt war, dachte sie sich: Wenn alle hier so sind und sich einfach nehmen, was sie brauchen, warum sollte ich das nicht auch tun. Es folgten also mehrere Monate voller Lebensgier, die Solveig mit Parties, Sex und dem unbedingten Willen, sich zu amüsieren, füllte. Sie sah verschiedenste Penisse, rieb daran, verschluckte sie und ließ sich in alle möglichen Körperöffnungen ficken. Nachdem aber so ein Penis wieder aus ihrem Bett aufgestanden war und die Wohnung verlassen hatte, blieb da nur noch bittere Einsamkeit, der man nicht mehr entkommen konnte. Er war schuld, dass nichts mehr in ihrer Herzgegend einen Fremden zulassen konnte. Dass es jedes Mal zerbrechen musste, bevor es eine Chance gab, dass es beginnen würde.
Nach diesen Monaten bemerkte Solveig aber auch, dass diese Art zu leben auch nicht unbedingt erfüllend war. Zumindest nicht für die Dauer, die ein Zustand braucht, um sich in ihrem Bewusstsein als spürbares Gefühl zu manifestieren. Es war eine von Ruhelosigkeit und Bindungsunwillen geprägte Zeit, wo das, was schön war, nur einen Fick lang oder maximal eine Nacht lang dauerte. Das ist irgendwie alles viel zu kurz, um daraus etwas wirklich Fühlbares zu gestalten, dachte Solveig.
Nach dieser Erkenntnis, so schmerzvoll und einprägsam sie auch war, fiel alles zusammen, und das ist jetzt auch ihre Position. Allein in einem zusammengefalteten Leben. Ein zusammengeklapptes Leben, in dem nichts klappt. Als Antrieb nur die Sehnsucht, die verzweifelt versucht, ihren Herzrhythmus zu beschleunigen, die Sehnsucht nach der Erfüllung, nach der Ganzheitlichkeit. Viele arg bescheuerte Floskeln tanzen durch ihren Kopf, die mit den Töpfen und den Deckeln, die mit dem blinden Huhn und dem Korn und auch eine mit dem Suchen und dem Finden. Alles scheiße, weiß Solveig, diese Kalendersprüche, die sollte man in Glückskekse tun, diese mit Botschaft aufessen, dann auskacken und genauso, wie sie dann aussehen, total beschissen nämlich, so ist auch ihre Wirkweise. Aber Solveig weiß auch, je verzweifelter die Suche ist, desto unmöglicher ist das Finden.
Allein zu Hause wird ihr dann ihr Alleinsein bewusster, und sie liegt da auf dem Sofa, und in irgendeiner dilettantischen Soap, die unglaublich bescheuerte, weil unglaubwürdige und würdelose, Leben abbildet, küssen sich zwei, die denken sie wären Schauspieler, die darstellen, dass sie verliebt wären, und Solveig schaut ihnen dabei zu. Was für ein elementarer Irrsinn: Die falsche und schlecht dargestellte Liebe wird von unfähigen Darstellern als sehnsuchtsverstärkendes Mittel in die Wohnzimmer der Bürger geblasen. Wer soll denn dabei was empfinden? Wer nimmt diesen Leuten denn diese Küsse ab? Es wirkt, als küssten sich Postbote und Fleischwarenfachverkäuferin, die sich vor zehn Minuten mediendepressiv im grausam grauen Flur des Sozialamtes kennengelernt haben. Dass dieser scheiß Kuss nicht echt ist, sieht doch jeder, denkt Solveig und macht den Fernseher aus.
An Liebe zu verzweifeln, ist eine interessante Art, verrückt zu werden.
Oh ich, denkt Gott und guckt dem Mädchen Solveig ein paar gelangweilte Sekunden beim Einsamsein zu, um sich dann wieder seiner Playstation zuzuwenden. Die ist ganz neu und vertreibt die Langeweile für eine gewisse Zeit. Gott hat irgendwann für sich selbst die Ewigkeit hergestellt, und Ewigkeit kann wirklich langweilig sein, da ist Spielekonsole nicht nur ein Wort, sondern eine Art Lösung. Er tut es seinen Followern gleich. Gott lernt von den Leuten, die ihrerseits nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit und wie diese am besten zu koordinieren ist. Und die haben nicht mal die Ewigkeit, denkt Gott und
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