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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Gurmûn oder sein Bruder Morolt waren ständig mit Truppen unterwegs, um an den Landesgrenzen Überfälle anderer Königreiche abzuwehren, selbsternannte richte, Königreiche, die gar keine waren. Kaum hatte jemand wie Pikkengouh im westlich gelegenen Gebiet zwölf Reiter zusammen, begann er, die Gehöfte von Carrenbarra zu überfallen. Boten kamen, meldeten die Plünderung, und schon war Gurmûn unterwegs. Der wahre Feind aber lebte drüben auf der anderen Insel. Die Britannien Nur sie konnten es sein, die ihr Isôt rauben wollten, ihr einziges wirkliches Vermächtnis.
    Isolde rief nach Brangaene. Das Mädchen musste aus dem Schlaf geholt werden, doch das war ihr gleichgültig. »Geh zu deinem Vater«, befahl sie, »ich will all das wissen, was er mir nicht gesagt hat. Schau mit ihm in die Sterne und sieh dir auch die Steine an, die er wirft. Und wage nicht zurückzukommen, bevor du etwas erfahren hast!«
    Brangaene stand in dieser Nacht müde vor ihrer Königin und ahnte, dass man sie benutzen wollte. Doch was sollte sie tun? Sie bekam eine reiche Belohnung im Voraus, führte eine Ziege nach Hause zu den Eltern, hatte Käse dabei und Brot, sogar Wein und einige Münzen, die über den kommenden Winter hinweghelfen würden. All das lieferte sie in der Hütte der Eltern ab. Sie freute sich, ihre heranwachsenden Geschwister wiederzusehen, wobei sie Joughen, den Ältesten, nicht wiedererkannt hätte, wäre er ihr irgendwo begegnet.
    So aber schlief sie wieder eng an eng mit den anderen, stand des Nachts auf, sah ihrem Vater zu, wie er Karten zeichnete, und begleitete ihn bei klarem Himmel nach draußen, um die Sterne zu sehen. Bis der Vater in einer solchen Nacht bei den Steinhügeln ein Feuer machte, Kräuter und Harzkrümel in die Flammen warf, den Rauch tief einatmete und vor sich hin zu sprechen begann. Es sei ein Königssohn in Parmenien, »Mehrwissender« genannt, auf Reisen in Ländern und in Jahren. Schneller als alle würde er wachsen und mit dem Pfeil weiße Adler vom Himmel holen. Aus seiner Brust würde ihm eine Frau wachsen, um einst mit ihm zu sterben; so könnte er sie leichter in seinen Armen halten, in die sie hineingeboren sei. Diese Frau trüge den Namen Isolde. »Isolde, Isolt, Isôt«, summte der Vater, ohne auf Brangaene zu achten, »ich bin dein Leben, ich bin dein Tod.«
     
    Ob Ich oder »Ihr« ~118~ Mit den Geistern reden
     
    Brangaene wiederholte diesen Vers vor ihrer Königin mit leiser Stimme. Sie musste sogar die Singart ihres Vaters zu imitieren versuchen, die Königin wollte alles genau wissen und schrie sie an, als das junge Mädchen nicht gleich den richtigen Ton fand und sich mehrfach räuspern musste. »Isolde, Isolt, Isôt«, wiederholte sie die im Halblaut vorgebrachten Worte der Zofe, »Ihr seid mein Leben, Ihr seid mein Tod?«
    »Ich bin dein Leben, ich bin dein Tod!«, verbesserte schüchtern die junge Magd, wagte dabei nicht, ihre Königin anzusehen, beharrte aber auf dem »Ich«.
    Isolde reagierte zornig darauf. Ob »Ich« oder »Ihr« sei doch ganz einerlei, ein alter Druide könne das ohnehin nicht unterscheiden. Er würde wie die Mönche in ihren Steinhütten von den Gaben des Volkes leben, von der Gutmütigkeit der Fürsten. »Dein Vater«, sagte Isolde zum Schluss zu Brangaene, »ist wie alle anderen, die in die Sterne schauen und dort ihren krist vermuten oder die Weissagung nahender Geschehnisse. Er lebt, weil andere Angst haben und nicht einmal wissen, wovor. Die Nächte sind oft dunkel, das gebe ich zu, so dunkel und schwarz, dass nur der Schlaf uns vor ihnen retten kann. - Geh jetzt schnell zu Isôt, meiner ining, und achte darauf, dass sie ihre Augen geschlossen hält. - Geh!«
    Brangaene verließ den Raum, in dem die Königin schlief, so schnell sie konnte, eilte durch die Flure und fand Isôt schlafend in ihrer Kammer auf der großen Schlafstelle, wo Brangaene am Fußende ihren Platz hatte. Das Fell, mit dem sie sich vor der klammen Nachtkälte schützte, lag noch immer so zusammengewickelt da, wie sie es zurückgelassen hatte, als sie ihren Vater aufsuchen sollte, um mit ihm den roten Stern zu sehen. Sie sah ihn nie. Drei Nächte lang war der Himmel von Wolken bedeckt, eine Nacht lang regnete es sogar. Aber immer musste sie Wache halten, um den Vater zu beobachten. Dann saß sie oft in der Nähe des Feuers, und dessen Widerschein beleuchtete den über seinen Pergamenten sitzenden Mann, dass sie einmal dachte, das sei der »rote Stern«. Dass er ein drui war, wie

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