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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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einen kräftigen Schluck aus dem Krug.
    »Sterne können doch nicht reisen!«
    »Ein Stern mit einem Schweif hat die drei Könige zu unserem Herrn Jesus geführt«, erwiderte Benedictus.
    »Mich hat noch nie irgendetwas am Himmel irgendwohin geführt!«, behauptete Isolde.
    »Wisst Ihr es?«, fragte Benedictus verschmitzt. »Man sagt, Ihr schaut da nicht oft hinauf.«
    »Am Tag immer.«
    »Und in der Nacht?«
    Isolde schwieg. - »Roter Stern steht da?«, wollte sie nach einem Zögern wissen.
    »Ganz deutlich.«
    »Und sieben Jahre?«
    »Auch das. Hier: septemnium«. Benedictus triumphierte und wollte gerade seinen Krug wieder an den Mund führen. Da entließ ihn die Königin mit harten Worten, in die sie widerwillig ihren Dank einflocht. Kaum war der Mönch gegangen, schickte sie nach Hägon. Der kam am späten Nachmittag, und sie fragte ihn um Rat, was sie tun solle.
    Hägon hatte die Steine dabei, warf sie und sagte: »Vertraut dem Hund!«
    »Welchem Hund?« Isolde wollte schon lachen, als Hägon ganz ernsthaft auf einen der Steine deutete, die er auf den Tisch geworfen hatte. Isolde folgte seinem Hinweis und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. »Was ist das für ein Stein?«
    »Einer, durch den Licht fällt.« Hägon tat geheimnisvoll.
    Isolde nahm den Stein auf. Er sah anders aus als die Kiesel, die man am Strand, und die kleinen schwarzen, silbersplittrigen Brocken, die man bei den Hügeln finden konnte. Dieser Stein war hell, schimmerte blassgrün und hatte, wenn man ihn richtig hielt, tatsächlich die Form eines Tierkopfes, eines Rehwilds - oder auch eines Hundes. Sie hatte nie zuvor einen solchen Stein gesehen, der fest, aber durchscheinend war. »Woher hast du den?«, fragte sie Hägon geradeheraus. »Warum hast du ihn in deiner Tasche angeschleppt? Was soll er mir bedeuten? Wieso sprichst du von einem Hund?«
    Der Druide sah seine Königin an. »Ja«, sagte er, »ich habe ihn angeschleppt, wie Ihr es nennt. Aber ich habe ihn nicht ausgesucht. Wir Druiden haben Körbe voll von Steinen, gesammelt und weitergegeben von unseren Vätern. Und wir fügen neue hinzu, füllen andere Körbe und geben sie weiter an unsere Söhne. Die Steine sind der Schatz unserer Deutung, sie sind die Wegweiser unserer Weisheit. Bei mir in der Hütte liegen sie in einer hölzernen Kiste, die man sonst für Zunder gebraucht. Wenn ich weggehe, um die Steine zu werfen, damit unsere Welt wie die der Gestirne in eine Ordnung kommt, bitte ich einen, der gerade bei mir steht, also eines meiner Kinder, meine Frau oder auch nur meinen Knecht, mit der Hand in die Kiste zu greifen und ein paar Steine daraus hervorzuholen. Diesmal war es zufällig Elligh, meine zweite Frau, wie Ihr wisst. Sie gab mir sieben Steine, ohne sie gesehen zu haben. Ich nahm sie aus ihrer von einem Tuch überdeckten Hand, so will es der Brauch, versteckte sie in einem Beutel, kam hierher, schüttete den Beutel aus, wie Ihr selbst es gesehen habt, und da lag die Konstellation vor mir und Euch auf dem Tisch: drei taube Steine abseits, ähnlich drei menschlichen Wesen, die keine Rolle mehr spielen, ein Stein davon sogar schwarz, ohne Seele also, dann dieser feuerrot gemaserte, der einen Riss hat in der Mitte, weil er vielleicht zwei Personen in einer verkörpert, und schließlich jenen, den Ihr aufgenommen habt. Ich sah darin sofort einen Hundekopf und hörte ihn bellen. Er wird begleiten, was Ihr verfolgt, und wird verfolgen, was Ihr in Gedanken begleitet. Er wird wie ein Stern sein über dem Haupt dessen, den Ihr sucht.«
    »Und was siehst du außerdem?« Isolde hielt noch immer den durchschimmernden Stein in ihrer Hand. »Was siehst du?« Sie schrie diese Frage fast aus sich heraus und warf gleich den Stein von sich, wie wenn er der rote Stern wäre, von dem alle gesprochen hatten. Er traf neben den anderen Steinen auf dem Tisch auf, stieß an zwei von ihnen, zwei taube Kiesel, die auseinanderstoben, an den Rand kollerten, fast hinunterfielen, und dann lagen da nur noch vier Steine zusammen.
    »Das dürft Ihr nicht!«, fuhr Hägon auf. »Ihr greift in das Geschehen ein, das nur die Götter lenken dürfen. Ihr habt den roten und den Lichtstein zusammengeschoben! Was habt Ihr getan?«
    »Dann lege ich sie eben wieder auseinander - es sind doch nur Steine!« Doch wie sie mit einem Handgriff die Ordnung der Steine auf dem Tisch verändern wollte, streifte ihr Ärmel den Krug, den Benedictus dort hatte stehen lassen, warf ihn um, und der Rest der Flüssigkeit darin ergoss

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