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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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sie tun mussten, sei, wo immer sie auch jemanden träfen oder bei einem Kloster ankämen, nach einem Jungen zu fragen. So seien sie schon durch das halbe Heilige Römische Reich gezogen, bisher ohne Glück. Doch jetzt wollten sie gut essen und trinken und die Geschichten vom Verlauf ihrer Reise erzählen. In einem Wald hatten sie schon einen Bären gesehen, der zweimal so groß wie ein Mensch gewesen war, es war ein Bär mit rot glühenden Krallen, als hätte er sie gerade erst aus einer Feuerstelle gezogen. Sie wüssten auch von Höhlen, in denen sich Geächtete zusammenrotteten, und außerdem waren ihnen Wegelagerer begegnet, die nichts anderes täten, als Reisende zu überfallen und auszurauben. Von Truhen voller Gold und Edelsteine hätten sie gehört und auch von Fledermäusen, so groß wie Adler.
    Je mehr Wein sie tranken, desto verwegener wurden ihre Geschichten. Courvenal hörte ihnen geduldig zu und führte ihre Gedanken immer wieder nach Cornwall zurück, um mehr über den König Marke und seinen Hof zu erfahren. Am Ende des langen Abends blieb bei ihm der Eindruck zurück, dass dieser Marke, der sich König nannte und an der Südwestküste Britanniens regierte, ein einsamer Mann war, nachdem er seine Schwester Blancheflur verloren hatte. Verloren, so sagte das Gerücht, an einen Ritter Riwalin aus dem Land der Parmenier. Dort gebe es eine Burg am Meer, Conoêl genannt, und einen Hafen. Doch kein Fürst, sondern ein Marschall, der sich allen gegenüber rechtschaffen und untadedlig verhielt, sei der Verwalter. Würde jedoch jemand dort über einen Riwalin oder gar eine Blancheflur eine Auskunft verlangen, würde derjenige fortan nicht mehr gesehen. Es heiße sogar, der Ort sei von bösen Drachen bewohnt, die sich in den Felsen der Küste verstecken. Deshalb sei die Burg mit besonders hohen Mauern bewehrt. Seit Langem sei dort niemand mehr eingekehrt, um nach der Schwester des Königs Marke zu fragen. Denn dadurch würden die Drachen gerufen und keiner kehre lebend zurück.
    »Nun könnt Ihr Euch vorstellen«, sagte Hoggard lachend, »warum wir diesen Weg gewählt haben, um nach dem Jungen zu suchen. Wir wissen ja, dass er hier nicht sein kann. Wir suchen nach einem Nichts, wie Ihr gesagt habt, aber wir suchen und haben dafür einen Sack voller Münzen bekommen!« Pint stimmte in das Lachen seines Kumpanen ein, und auch Courvenal konnte sich nicht länger zurückhalten und verlangte nochmals drei volle Becher.
    Es musste weit über Mitternacht hinaus sein, als er sich auf den Weg zurück zum Kloster machte. Die beiden Gesellen hatten hinter der Schenke im Stroh einen Schlafplatz gefunden und würden dort ihren Rausch ausschlafen. Courvenal hingegen hatte nur eins im Sinn: wie er Tristan dazu bringen konnte, sich ihm ohne Misstrauen nackt zu zeigen, damit der Mönch die Innenseite des rechten Oberschenkels des Jungen anschauen konnte.
     
    Flöhe und Läuse ~139~ Der dünne Ast
     
    Courvenal ordnete ein Bad an, ein warmes Bad. Er sprach im Beisein einiger Mönche ausführlich darüber und verlangte Öle und Substanzen, die Ungeziefer vertreiben und die Krätze lindern sollten. Außerdem sollte ein Medicus anwesend sein. Tristan tat erstaunt, fast erschrocken, ihm fehle doch nichts!
    »Es ist auffällig«, sagte Courvenal mit nüchterner Stimme, »wie oft du dich an den Lenden und in den Haaren kratzt. Wenn wir draußen unterwegs sind und irgendwo eine Unterkunft nehmen müssen, bei Tieren liegen oder gar auf der bloßen Erde, dann wissen wir weder, was alles während unseres Schlafs um uns herum oder über uns hinwegkriecht. Wir können auch nicht ahnen, welcher verlauste Ritter vor uns auf dem Laken gelegen hat, das die Wirtsleute als gerade erst frisch gewaschen anbieten, um dafür noch einen Pfennig mehr zu bekommen. Die Menschen lügen, mein lieber Tristan, die Tiere nicht, auch wenn sie so klein sind, dass wir sie kaum sehen und glauben, sie hätten ihre unscheinbare Gestalt nur angenommen, um uns hinters Licht zu führen und sich bei uns unerkannt einzunisten. Doch es gibt Laugen und Öle, die sie eines Besseren belehren und sie vertreiben. Und wir wollen doch nicht an einem so gastfreundlichen und ehrwürdigen Ort wie dem Kloster Bobbio Ungeziefer in die Kopfkissen der Brüder einbringen.«
    Die beiden Mönche, die diesem Vortrag Courvenals gelauscht hatten, erklärten sich gleich bereit, alles Nötige für ein Bad zu veranlassen, und entfernten sich.
    Tristan zog gleichwohl die Augenbrauen zusammen

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