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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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und sagte: »Aber ich kratze mich nicht, und es juckt mich auch nichts, weder am Kopf noch am Bauch oder in den Kniekehlen. Ich wasche mich jeden Abend, wie Ihr es mir gezeigt habt.«
    »Mag sein, mag sein«, erwiderte Courvenal, »doch da gibt es etwas, das zu unserem Leben hinzugekommen ist.« Tristan blickte ihn fragend an.
     
    »Nella.«
    »Was hat das mit Nella zu tun?«
    »Ist es nicht so, dass sie nachts an dein Fußende kriecht?« - Tristan wollte etwas entgegnen, doch Courvenal hob den Arm. - »Und liegt sie dort erst einmal«, fuhr er mit gedämpfter Stimme fort, »hebst du dann nicht die Decke an, um sie darunterschlüpfen zu lassen? Was sie übrigens« - die Stimme nahm an Überzeugungskraft zu - »äußerst geschickt macht, nämlich ohne einen Laut, ohne das geringste Winseln, das sie sonst so gern hören lässt, wenn sie um etwas bettelt, ist es nicht so?« Da Tristan betreten schwieg, seinen Lehrer aber mit großen Augen ansah, fuhr Courvenal fort: »Und was tut das liebe Tier? Schleckt es nicht aus Dankbarkeit an dir herum, erst an den Waden, dann an den Schenkeln und schließlich am Bauch? Weißt du, wie viele Flöhe in ihrem zugegeben warmen Fell sitzen und nur darauf warten, auf dich überzuspringen, wie viele Läuse die Brücke über ihre Haare zu dir suchen, um sich an deinem frischen Blut zu laben? Weißt du, an welchen stinkenden Knochen Nellas Zähne zuvor genagt, welches Aas sie verschlungen hat, welche Gifte noch mit ihrem Speichel vermengt sind, den sie dir leckend auf der Haut zurücklässt? Weißt du’s?«
    Courvenal schwieg, der Junge starrte ihn an. Vor seinen Augen spielte sich bei diesen Worten ein Widerstreit von Bildern ab. Er sah hässliche Käfer über sich krabbeln und spürte gleichzeitig, wie Nellas Zunge sich seinen Lenden genähert hatte, an seinem Geschlecht herumleckte und er dabei eine Erregung zwischen den Beinen fühlte, die ihn heftiger atmen ließ. Er hatte einige Male mit der Hand den Kopf der Hündin weggedrückt und dabei sein Glied gespürt, das zu einem starren dünnen Zweig geworden war, zu einem Ästchen, das aus seinem Leib hervorkam und fest gegen das Leinen der Decke stieß. Als er dies bemerkte und fühlte, hatte er sich von der Hündin weggedreht und sie einmal sogar mit den Füßen von sich gestoßen. In solchen Momenten war er hellwach und hörte die ruhigen Atemzüge Courvenals auf dem benachbarten Lager. Nie aber wäre ihm der Gedanke gekommen, dass durch Nellas Fell, ihre Zunge oder ihren Speichel kleine Tiere auf seinen Körper gekrochen wären. Diese Vorstellung war so entsetzlich, dass es ihn überall zu jucken begann. Er vermied nur, sich zu kratzen, um seinem Lehrer nicht recht zu geben, recht darin, dass er sich von seinen Worten in Angst versetzen ließ.
    Courvenal hatte sich längst abgewendet und streifte gerade sein Habit über den Kopf. »Was für dich gilt«, sagte er dabei, »gilt auch für mich, auch wenn ich mit Nella nichts zu tun habe und nichts zu tun haben möchte, obwohl sie in den kalten Nächten bestimmt ein wunderbares Wärmekissen abgibt. Aber ich bin gerade heute wieder so viel Ungeziefer begegnet, dass auch ich eine gründliche Waschung nötig habe. Die Mönche hier haben« - mit diesen Worten wandte er sich wieder Tristan zu - »einen großen Bottich, in dem wir beide Platz haben. Fang also an, dich auszuziehen, nimm das Laken und wickle dich darin ein. Die Kleider lass auf dem Boden liegen, neue werden gebracht, die alten gewaschen. Beeil dich, sonst wird es zu spät. Wir wollen vor dem Abendgebet im Refektorium sein - und Hunger haben wir auch, oder?«
     
    Die Reise ~140~ Das Glas
     
    Tristan bemerkte nichts davon, dass sein Lehrer das gemeinsame Bad dazu benutzte, um am rechten Schenkel des Jungen nach einem auffälligen Muttermal zu schauen. Doch Courvenal sah nichts anderes als glatte, weiße, makellose Haut, einen wohlgeformten Jünglingskörper und um das Geschlecht herum einen bereits dichten Flaum von Schamhaaren. Während ihn diese Zeichen beunruhigten, weil sie darauf hindeuteten, dass Tristan in seiner körperlichen Entwicklung viel weiter fortgeschritten war, als er vermutet hatte, stimmte ihn das Fehlen eines Muttermals zufrieden - der Junge war also nicht der von den britannischen Kundschaftern Gesuchte. Da er zudem anderntags hörte, die beiden seien in Richtung Süden weitergezogen, atmete Courvenal auf. Nun konnte er sich endlich ganz sicher sein, dass sie niemand mehr verfolgen würde. Das Bad mit den

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