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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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zu erzählen weiß, starrt aber die ganze Zeit über in die Flammen, als würden meine Worte dort nichts sagend verbrennen. Es ist ein Auf und ein Ab, ein Für und Wider, ich sehe ihn lachen und weinen, bisweilen gleich nacheinander. Er dreht sich weg. Seine Schultern zittern. Die hellen Haare fallen ihm schon bis über den Kragen, sie müssen geschnitten werden, bevor wir Bobbio erreichen. Bis dahin sind es noch mehr als vierzig Tagesritte. Im Gebet ist er beständiger als ich. Immer wiederfragt er nach seiner Mutter. Marschall Rual erwähnt er nie. Als ich ihn im Kloster Einsiedeln einmal darauf ansprach, sagte er schroff, Jesus sei sein Vater, sonst niemand. Ich bemerkte nichts dazu, war aber sehr verwundert. Ich denke dabei an Moos, das man ablöst, und der blanke nasse Stein kommt darunter hervor, zusammen mit dem erdigen Geruch, der betäubend wirkt.
     
    Hoggard und Pint ~138~ Der Bar mit den glühenden Krallen
     
    Nach ihrem langen Aufenthalt in Constantia waren sie erst in Sanktus Galus gewesen. Dort hatte Courvenal Tristan mit der Legende des Peregrinus Columban bekannt gemacht, der zusammen mit seinem Glaubensbruder Galus von Irland aus in die alemannische Region gezogen war, um dort die von Gott Abgefallenen zum rechten Glauben zu bekehren. Columban war in hohem Alter weitergereist über die Alpen und hatte in Bobbio das Kloster gegründet, das ihr nächstes großes Ziel war. Courvenal hielt zumindest daran fest, obwohl er nach dem geplanten Überfall in Constantia seine noch auf Conoêl skizzierten Reisepläne, die ihm an der flämischen Grenze von irischen Chargen gestohlen worden sein mussten, umgestellt hatte.
    Nachdem aber Dorran und die beiden Gehilfen der irischen Königin aus dem Weg und bei Herman in sicherem Verwahr waren, fühlte er sich befreit von zukünftiger Verfolgung und hielt an Bobbio fest, dessen Namen er ebenfalls in dem verloren gegangenen Heft deutlich markiert hatte. In seinen Notaten vermerkte er nun:
    Wann immer möglich, ist Tristan mit Nella unterwegs. Sie ziehen durch den Wald. Er hat Pfeil und Bogen und sein Messer dabei. Manchmal kommt er mit einigen erlegten Wildvögeln über der Schulter zurück. Die braten wir am Spieß, und sie schmecken köstlich. Der Vorrat an Salz, den ich aus dem Kloster Galus mitgenommen habe, wird noch lange reichen. Die beiden Säckchen Wein sind längst geleert. Es ist doch oft trübe in der Natur zwischen den Bergen. Und kälter als irgendwo sonst auf der Welt. Heute sind wir zwei Pilgern begegnet, die ebenfalls auf dem Weg nach Bobbio waren. Von Britannien kamen sie, ohne Pferd. Sie seien auf der Suche. Mehr verrieten sie nicht, konnten nur ein paar Worte Lateinisch und verhielten sich wortkarg. Fragten aber, wer die beiden Knechte seien. Ich nannte keine Namen. Sagte nur, dass Thomas - »der da!« - zur Buße unterwegs sei, »der andere, der junge« sei ein Findelkind, aufgelesen an der Straße. Das Pferd, auf dem er sitze, hätte ich »übrig« gehabt, der Kleine mit seinen kurzen Beinen könne ja nicht so weit laufen. - Ob die beiden Pilger das alles verstanden, weiß ich nicht. Ich redete auf sie ein, um sie glauben zu machen, sie könnten bei uns nichts holen und nichts von uns erwarten. Denn in unserer Zeit ist es gut, jedem, den man nicht kennt, zu misstrauen. Schafe sind Wölfe. Die Pilger schienen sich mit meiner Auskunft zufrieden zu geben. Wir grüßten sie in Gottes Namen und zogen an ihnen vorbei. Tristan war uns schon weit voraus. Ihn kümmert das alles nicht.
    Als Courvenal viele Tage später - da waren sie schon im Kloster Bobbio - diese Eintragung in seinem Heft überlas, war er froh, dass er damals bei ihrer Begegnung hinter dem Bündnerpass die beiden Pilger mit so viel Unwahrheiten gefüttert hatte. Denn genau dieselben Männer waren es, die eines Tages im Ianuarius an das Tor des Klosters klopften und sich erkundigten, ob hier ein Junge wohne, etwa im zwölften Lebensjahr, aus Parmenien stammend. Der Mönch, der den beiden die Pforte öffnete, hieß Laurens. Ihm war an diesem Vormittag der Dienst zugeteilt worden. Es war kalt und feucht, er rieb sich die Hände und wäre lieber im Wachhaus am Kohlenfeuer gesessen, statt die Fragen zweier Fremder zu beantworten. Deshalb sagte er nur kurz, es gäbe im Kloster eine Menge von Novizen in diesem Alter. Mindestens zehn.
    Ob einer davon vielleicht nur auf der Durchreise sei?
    Laurens wollte die Frage schon bestätigen, überlegte es sich aber anders und fragte zurück: »Woher

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