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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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wusste sie, loderten Flammen auf. Ohne dieses flackernde Licht hätte sie sich nicht an den Hafen gewagt. Dass sie mit dem Rücken zu den brennenden Holzscheiten stand und in die dunkle Nacht hinausstarrte, in der die Luft um sie herum und das Wasser vor ihr die gleichen Ungeheuer bargen, bedeutete nur, dass sie nach einem Ausweg sann. Sie versuchte, ihren Gedanken zu entkommen, die sie nicht mehr beherrschen konnte, wie sich das Meer nicht beherrschen ließ. Dieselbe Wut überkam sie wieder, mit der sie den Weg hinuntergegangen war. Denn irgendwo in der Ferne lag das unsichtbare Ufer, an dem jetzt, vielleicht zur selben Zeit in ihre Richtung schauend, das Unglück lauerte, das eines Tages über sie und die Ihren hereinbrechen würde.
    Sie hatte sich den Bericht von Dorran angehört, einen halben Tag lang hatte sie damit verbracht. Es gab keinen Zweifel, dass der junge Mann ihr seine Erlebnisse ehrlich wiedergab. Er legte sogar den Rest der Münzen auf den Tisch, die er nicht verbraucht hatte. Und Dorran war kein fili oder Barde, der in seinen Schilderungen übertrieb, um seine Zuhörer zu beeindrucken. Sein Bericht war nüchtern und schmucklos, selbst wenn er manchmal Orte und Landschaften und Häuser aus Stein mit Türmen, die man wie Berge besteigen musste, so beschrieb, dass sie es sich nicht vorstellen konnte. Türme waren für Isolde klein, Aussichtstürme, und Berge waren Hügel ohne Spitzen. Spitz konnte nur die Nadel sein, mit der sie in den Stoff stach.
    Aber Dorran versetzte sie in Verwunderung. Nie hätte sie mit eigenen Augen sehen wollen, was ihm begegnet war. Und trotzdem schenkte sie ihm die Münzen, die er ihr zurückgab, und versprach ihm, dass er in ihre Folgschaft aufgenommen werden und bald ein räth zugeteilt bekommen würde als dauerhaften Lohn, allerdings erst, wenn er seinen Auftrag zur Gänze erfüllt hätte.
    »Welchen Auftrag?«, fragte Dorran erstaunt. »Ich sollte Euren Kundschaftern folgen. Das habe ich getan. Doch jetzt sind sie weg. Man sagt, sie sind in einem Land im allertiefsten Süden. Dort steht die Sonne direkt über dem Kopf, den ganzen Tag, dort gibt es keine Schatten.«
    »Wie das?«, fragte Isolde verwirrt.
    »Weil man auf seinem eigenen Schatten steht, und was unter den Füßen ist, kann man nicht sehen.«
    »Nesh«, sagte die Königin, was bei ihr so viel hieß wie >Unsinn<. »Lenk nicht ab! Dein Auftrag lautet, mir diesen Königssohn zu bringen. Fahr übers Meer nach Conoêl, lauere dem Sohn des Marschalls auf und entführe ihn.«
    »Aber, meine Königin, wie soll ich …?« Dorran war sprachlos.
    Wie - das sei seine Sache, Isolde ließ keine Widerrede zu. Unversehrt wolle sie den Jungen haben. Dort auf dem Tisch liege ein Säckchen mit Münzen, um Leute zu bezahlen, wenn er Hilfe brauche. »Wie«, setzte Isolde hinzu, »dieses Wort will ich ebenso wenig hören wie >warum    Dorran verbeugte sich. Der Beutel mit Münzen wog angenehm schwer in seiner Hand. Aber wie sollte er …? Dorran biss sich auf die Zunge. »Wie« gab es nicht mehr, nur noch »so geschieht es«. Als er nach draußen trat, war es schon Nacht.
    Damit ihre Tochter Isôt von alldem nichts mitbekam und dem Fremden nicht einmal von Ferne begegnen konnte, plante ihre Mutter, sie für die Zeit des Spätsommers und über die regnerischen Herbstmonate an die Südküste zu ihrer Cousine zu schicken.
    Dieser Entschluss stand für sie fest. Ein dumpfes Gefühl quälte sie, als sie daran dachte und sich zugleich entkleidete. Sie hasste diesen Moment vor dem Schlafengehen, weil sie dann noch einmal mitten in der Nacht beim Schein einer Kerze, die ihr Benedictus geschenkt hatte, oder eines Öllämpchens, das Gurmûn einst aus Britannien mitgebracht hatte und das noch von den Römern stammte, für Augenblicke wieder wach wurde. Dabei wollte sie doch nur schnell einschlafen, um bald wieder aufzuwachen. Denn der Schlaf selbst war Teil des Todes, und Tod bedeutete Fernsein. Immer wenn Isôt, ihre Tochter, lange fern von ihr war, erlebte sie die Trennung wie deren Tod. Ein Nimmerwiedersehen. Schnell schlafen, dachte sie.
     
    Markes Unsicherheit ~ 167 ~ Drei Goldstücke
     
    An einem Donnerstag erlaubte es König Marke in Cornwall dem ständig um . eine Audienz bettelnden Knecht Hoggard, vor ihn zu treten. Er versuchte, den wirren Schilderungen des Spähers zu folgen, und hielt dabei die Münze in der Hand, die ihm der

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