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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Courvenal fast zur gleichen Zeit ein. Rual schob die Magd beiseite und schlug Tristan auf die Wange, redete auf ihn ein, er solle aufwachen, während Courvenal den Dienstleuten befahl, eine Trage zu holen, und Merla, einen Bottich mit kaltem Wasser. Die Schläge und das eiskalte Nass brachten Tristan wieder zu Bewusstsein. »Es war zu viel für ihn«, hörte er Rual sagen.
    »Er wächst, er wird ein Mann.« Das war die besonnene Stimme Courvenals.
    »Die Kugel…«, stammelte Tristan, unfähig den Kopf zu heben.
    »Es ist alles da, mein Junge«, beschwichtigte ihn Rual. »Sie hat dich nach Hause gebracht, das war ihre Aufgabe. Und jetzt beruhige dich. Du bist geschwächt und willst es nicht wahrhaben. Das geht allen so in deinem Alter, in dem man gern mit seinen Kräften wuchert, die man nur dem Schein nach besitzt.«
    »Du wirst es überleben«, fügte Courvenal hinzu, »und zum nächsten vollen Mond reiten wir aus zur Jagd. Vorher ordnen wir die Sachen, die du in der Kammer durchwühlt hast. Fast wäre ich auf dein Glas getreten, das du auf den Boden gestellt hast, als wäre es eine Schüssel aus Eisen. Wie konntest du nur so unachtsam sein! Und überall lagen die Papiere unseres spanischen Freundes verstreut. Du scheinst noch immer nicht zu wissen, welchen Wert sie einst für uns besitzen können. Ich meine nicht den Goldwert…«
    Courvenal redete noch weiter auf den auf dem Boden Liegenden ein, um ihn abzulenken und ihm Mut zu machen. Dann kamen die Wachsoldaten mit einer Trage und hoben Tristan auf das Tuch. Er behauptete, längst selbst wieder gehen zu können, doch Courvenal verbot es ihm. Noch während er zu seiner Kammer getragen wurde, eilte Floräte hinzu. Das hätte ja irgendwann passieren müssen, schimpfte sie an Rual gewandt. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass dieses ewige Feiern und Singen und Tanzen und Spielen und die Ausflüge bei Tag und auch in der Nacht für ihn zu viel werden. Jetzt hast du es! - Ich bringe dich wieder zu Kräften, mein Sohn«, wandte sie sich an Tristan und drückte ihm die kraftlose Hand.
    »Bei Vollmond also«, sagte Courvenal daraufhin munter und verabschiedete sich, bevor sie Tristans Kammer erreichten, »bei Vollmond gehen wir auf die Jagd.«
    Tristan erholte sich rasch und verbrachte einige Tage damit, zusammen mit Courvenal sein Reisegut zu ordnen. Ein Teil davon verblieb in seiner Kemenate, in die der Küfer ein Regal gestellt hatte, wie es auch die Reiter in ihren Schlafräumen hatten, um ihre Helme, Rüstungen und Waffen abzulegen. Darin befanden sich nun die kleine Armbrust, der Säbel, die Dolche, die Gürtelschnallen, die Schuhe mit den Glöckchen, die Wurfmesser, der Beutel mit den Feuersteinen und die Schriften, die ihm Don Philippe geschenkt hatte. Courvenal hatte versucht, ihn dazu zu überreden, sie in seine Obhut zu geben, er würde sie so sicher verwahren wie seine eigenen Notate. Tristan weigerte sich. Courvenal könne ja eine Abschrift anfertigen, sagte er, doch davon wollte wiederum sein Lehrer nichts wissen, er habe selbst genug Material, das zu kopieren sei. Ein halbes, wenn nicht ein ganzes Jahr bis zum nächsten Pfingstfest sei er damit beschäftigt.
    »Darf ich es dann lesen?«, fragte Tristan daraufhin.
    »Es sind doch eher meine eigenen Gedanken«, wich Courvenal aus.
    »Dann soll es auch so bleiben.«
    Tristan reagierte bockig, »nicht anders als ein buck in einem Ziegenpferch«, bemerkte Courvenal dazu, und so gab es zwischen den beiden das eine und andere Mal Missstimmigkeiten, die sich erst im Verlauf der ruhigen Tage des Sammeins und Erinnerns wieder zerstreuten. Courvenal musste zumindest zugeben, dass Tristan auf ihrer langjährigen Reise viele Dinge aufbewahrt hatte, die ihn zum Staunen brachten. »Wo hast du das alles her?«, fragte er ihn.
    »Von den Märkten, während du in den Klosterstuben und Scriptorien saßest und dich endlos lang in die Bücher vergrubst.«
    Dieser Ton, den Tristan anschlug, wenn sie allein waren und sich mit Du anredeten, gefiel Courvenal. Dann waren sie wie Brüder. Der Mönch, der wieder seine Kutte trug, merkte, wie viel sein Schüler von ihm gelernt hatte. Eigentlich hätte er ihn jetzt in der Obhut seiner Eltern lassen können, und er hatte Rual diesen Vorschlag schon gemacht. Der aber hatte erst barsch abgelehnt, um schließlich voller Demut darum zu bitten, dass Courvenal sich weiterhin um Tristan kümmern solle. Sein ältester Sohn sei ihm allzu wertvoll, als dass er ihn ohne Begleitung lassen

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