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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Zahlen so ernst, dass die Männer ihn fast erschrocken ansahen. Sie merkten, dass der junge Mann sich auskannte im Handel und im Münzverkehr.
    »Hast du sie denn bei dir?«, wollte der eine wissen.
    »Zwei - die anderen gibt mir mein Vater. Und der Mönch hat sicher auch noch zwei in seinem Beutel.«
    »Der Mönch dahinten, der das Papyrus kaufen will?«
    »Eben der.« Tristan tat sich wichtig. Er wollte den Männern beweisen, dass er nicht irgendwer war, sondern über Mittel und auch Macht verfügte. Und da er des Norwegischen, in dem die Männer miteinander sprachen, einigermaßen mächtig war, konnte er sich in den kleinen Streit, den sie untereinander anfingen, auch gleich einmischen und ihnen vorschlagen, dass er ihnen die beiden Goldstücke zeigen könne, jetzt und hier.
    Das verwirrte die Männer noch mehr. Sie blickten sich an, sagten, das Schachbrett gehöre dem Kapitän und sie müssten erst mit ihm reden. Tristan nickte, einer der Männer, der Thorsten hieß, ging weg, kam nach einer Weile wieder und erklärte, der Kapitän, Jonas nannte er sich, habe das Brett im Spiel gewonnen und würde es auch nur wieder im Spiel verteidigen oder verlieren. Zwei goldene Schillinge solle der junge Mann setzen gegen das Schachbrett. Wenn er gewinne, könne er alles behalten. Wenn er verlöre, würde er seine Schillinge opfern.
    Tristan willigte sofort ein. Da er Courvenal noch immer damit beschäftigt sah, Papyrusbögen durchzusehen, war er gelassen, stellte die Schachfiguren in die Ausgangsstellung zurück und wartete auf den Kapitän. Nach einer Weile kam ein Mann zu ihnen an den Tisch, der scheußlich roch und einen ungepflegten Bart hatte. Er setzte sich und eröffnete das Spiel mit einem Bauernzug, dem Tristan bisher noch nicht begegnet war. Aber von Don Phillippe wusste er noch, dass es sich bei solchen Zügen meistens um Scheinattacken handelte, denen man am besten seriös begegnete, indem man sie ignorierte. Also schob Tristan seinen ersten Bauern in die Mitte des Feldes. Bald schon stürmte der Gegner mit dem Turm vor seine Angriffslinie. Tristan lachte innerlich, als er das sah, weil die hellen Figuren auf dieser Linie ungeschützt waren. Eine Welle schwappte gegen das Boot und hätte beinahe die Steine verrückt. Der Kapitän murmelte etwas über die unruhige See und machte einen weiteren Zug, mit dem Tristan nichts anfangen konnte. Er zog mit seinen Angreifern auf den König des Gegners los, ließ sich von dessen Ausfällen nicht beeindrucken und war so sehr bei der Sache, dass er vergaß, wo er sich befand und wie viel Zeit vergangen war. Er wollte gewinnen. Als er kurz davor war, den König mattzusetzen, blickte er einmal auf und erwartete die Bestätigung von den Männern, die zuvor gegeneinander gespielt hatten. Sie waren nicht mehr da. Ihm gegenüber saß nur noch der Kapitän, kippte lachend seinen König aufs Spielfeld und sagte: »Ich habe gewonnen!«
    Tristan verstand erst nicht. Dann bemerkte er, dass sie längst nicht mehr im Hafen, sondern mitten auf der See waren. Ratlos blickte er sich um, sah überall nur Wasser und keine Küste mehr, und auch Courvenal war nirgends zu entdecken.
    »Dein Freund ist unter Deck«, bemerkte der norwegische Kapitän dazu, »wo auch du gleich hingehörst. Ihr bekommt süßes Wasser und Brot, bis wir euch aussetzen, und ich bekomme dafür deine Golddukaten. Und wenn du sie mir nicht gibst, nehme ich sie mir! Außerdem wirst du mir helfen, wenn wir in fremden Ländern ankern - du kannst viele Sprachen. Auch das ist manchmal Gold wert.«
    Der Mann lachte, Tristan schaute auf das Schachbrett, konnte sich nicht vorstellen, dass er über dem Spiel alles um sich herum vergessen haben sollte, und hörte jetzt erst Courvenals Rufe aus dem Bauch des Schiffes. Es waren Flüche, die er gegen den Kapitän ausrief. Hebob, nannte er ihn, hebob, Sohn des Teufels, hörte Tristan Courvenal schreien und stellte sich vor, wie sie alle, die er so liebte, Rual, Floräte und seine Brüder, am Hafen standen: hilflos, ohnmächtig, mit weit aufgerissenen Augen voller Tränen.
    Da fing auch er an zu schreien, als er, von zwei Männern an den Armen gepackt, zu einer Luke geführt, eine Stiege hinuntergestoßen wurde und in einen engen Lagerraum direkt vor Courvenals Füße fiel. Sein Lehrer war an einen Balken gefesselt und starrte Tristan mit großen Augen an.
    Die Luke wurde geschlossen. Mit einem Schlag wurde es stockdunkel um sie herum.
    »Binde mich los«, hörte Tristan Courvenal

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