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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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wurde. Von Norwegern, die in Ägypten gewesen waren! Mehr wollte Courvenal nicht wissen.
    »Dann habt ihr also Papyrus?«
    Man versicherte ihm, dass es so sei, und wollte ihn in den hinteren Teil des Schiffes führen. Tristan blieb unschlüssig am Bug stehen und sah noch immer zurück über die Dächer der Hütten hinweg dorthin, wo der Weg begann, der zur Herberge führte. In der Ferne sah er einen Reiter, der in ruhigem Trab vorankam. Er verzögerte seine Gangart, als er auf einen Trupp von Reitern traf, und es kam zu einem Stillstand der Pferde. Wie Spielfiguren verharrten die Tiere, bildeten aus der Entfernung gesehen einen Knäuel, der sich plötzlich auflöste, und während der einzelne Reiter langsam seinen Weg fortsetzte, stürmten die anderen Rosse der Herberge und dem Hafen entgegen.
    »Was hast du plötzlich mit Thomas?« Courvenal wurde ungeduldig. »Komm jetzt. Ich gehe schon einmal voraus, hörst du?«
    Tristan bejahte, er komme gleich nach. Jetzt müsste ich ein Falke sein, dachte er, dann würde ich das Gesicht des Reiters erkennen. Doch so nahm er nur dessen Haltung als eine Silhouette wahr und hätte nochmals schwören können, dass es sich dabei um Thomas handeln müsse: der gekrümmte Rücken des Germanen, der rechte, zurückhängende Arm, weil er so während ihrer Reise mit der Hand immer gern sein Pferd angetrieben hatte. »Ein Rab trifft einen zweiten Rab«, hatte er auf Deutsch gesungen und dem Pferd gegen den Schenkel geschlagen, »und schon wechselt Schritt in Trab.« Tristan hatte sogar noch die einfache Melodie in seinem Ohr, schlicht, wie von Kindern gesungen, als auf dem Schiff ein Streit begann. Courvenal weigerte sich, die hohe Summe für das Papyrus zu zahlen, die der Norweger verlangte.
    Tristan musste lächeln. So war es immer gewesen, wenn der Mönch verhandelte. Erst wehrte er sich, protestierte, begann über den Wucher und die steigenden Zinsen der Juden zu lamentieren. Dann beruhigte er sich und schien vernünftig zu werden. Sein Ziel war es immer, möglichst den halben Preis des Geforderten zu erlangen, und »diesen Preisnachlass«, so sagte er Tristan einmal, müsse man »mit Zeit bezahlen«. Ohne Geduld gebe es keinen Handel. Wie das Raubtier einen ganzen Tag lang auf seine Beute lauern kann, so müsse sich der Mensch verhalten, wenn er etwas haben wolle. Also rechnete sich Tristan aus, dass es noch dauern würde, bis Courvenal mit seinem Papyrus wieder am Bug erscheinen würde. Darüber verlor er den Reiter am Horizont aus dem Blick und seinen Gedanken und sah sich um nach etwas, was für ihn wichtig sein könnte.
    Nicht weit von ihm saßen zwei Männer, die nicht zur Bootsmannschaft gehören konnten. Sie steckten die Köpfe zusammen, als würden sie ein Geschäft bereden, dabei beugten sie sich nur über ein Schachbrett. Tristan sah gleich die fremdartigen Figuren, die auf den Feldern standen, auf roten und gelben Feldern. Die Türme sahen aus wie Grabsteine, die Pferde waren Drachen ähnlich, die Bauern Soldaten, die Läufer wie Elfen geformt, die Königin stand als Tänzerin nur auf einem Bein, und der König wirkte wie ein Bär, der sich aufrichtet und seine Tatzen hebt.
    Beim Anblick dieses Schachspiels vergaß Tristan Thomas und Courvenal zugleich. Er setzte sich zu den Männern, erkannte gleich die Schwächen der Position der roten Figuren, die aus einem ihm unbekannten Stein geschnitzt waren, den er noch nie gesehen hatte. Gern hätte er in das Spiel eingegriffen und dem Roten geholfen, aber sein Anstand verbat es ihm. Stattdessen erkundigte er sich, als der Ausgang absehbar war und der Spielführer der roten Figuren dementsprechend niedergeschlagen und gereizt war, ob er das eschiec mit den Figuren kaufen könnte.
    Das ließ den Sieger aufhorchen. Er musterte den Jungen, da rede ja einer in der Sprache der Troubadoure! Er beherrsche viele linguae, entgegnete Tristan und kam auf das Schachbrett zurück. So viele Münzen könne er nicht besitzen, sagte ihm daraufhin der Schiffsmann ins Gesicht, um sie gegen dieses Elfenbein und geschnitzte Steine aufzuwiegen, die aus einer Gegend kämen, die zu einer anderen Welt gehöre, vielleicht zu der, die sich unter ihnen, auf der Unterseite der Erdenscheibe, befände.
    »Gold habe ich genug«, sagte Tristan daraufhin frech.
    »Zehn mal zehn Zählmark? Hast du so viel?« Die Männer lachten.
    »Ich habe auch zwanzig mal zehn Zählmark, kann euch aber auch fünf goldene Schillinge geben«, antwortete ihnen Tristan. Er nannte die

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