Tristan
er Floräte, Tristan und Edwin. Die Kinder stocherten mit den Holzlöffeln in ihrem Brei herum. Auf dem Tisch lagen auch gekochte Eier, daneben stand eine Schüssel mit einer grünen Soße, die Merla jeden Tag neu anmischte und die zu Ruals Ärger immer anders schmeckte, mal bitter, mal süß - und an diesem Tag war für seinen Geschmack viel zu viel Pfeffer untergerührt.
»Kannst du nicht aufpassen«, raunzte er Merla an, »und mit dem Pfeffer vorsichtiger umgehen! Du weißt doch, wie teuer er ist und wie er später im After brennt, wenn man zu viel davon nimmt.«
»Du wirst schon nicht daran sterben«, beschwichtigte ihn Floräte, aber Rual wurde noch wütender.
»Wo ist der Pfeffer?«, schrie er Merla an.
Die Magd brachte eine Holzschachtel und öffnete auf Ruals Geheiß den Deckel.
»Was hast du vor?«, wollte Floräte wissen.
Rual nahm einen Löffel voll Pfeffer aus der Schachtel. »Sie soll wissen, wie das schmeckt«, sagte er dabei - und zu Merla: »Mach den Mund auf!«
»Das wirst du nicht tun!« Floräte war aufgestanden. »Was ist nur mit dir? So kenne ich dich gar nicht.«
In diesem Moment sah Rual auf Tristan. Er starrte ihn mit großen, neugierigen Augen an. Um den Mund spielte ein Lächeln, als wüsste der Junge, dass Rual nur einen Scherz machen wollte. Und dieses Gesicht war genau das seines Vaters Riwalin. Rual erschrak darüber und freute sich zugleich. Er tat die Pfefferkörner zurück in die Schachtel, lachte kurz auf und verließ den Raum.
Rual erinnert sich ~26~ Die sinnlosen Turniere
Floräte durfte, während Rual in dem Buch las, den großen Saal ebenso wenig betreten wie seine engsten Vertrauten. Er habe wichtige Berechnungen durchzuführen, wobei ihn niemand stören sollte. Manchmal nahm er am gemeinsamen Essen teil. Dann sah Floräte, dass seine Finger von roter Tinte oder Sepia gefärbt waren. Oft ließ sich Rual das Essen in den Saal bringen und verlangte nach Wein. Wenn Floräte ihn traf, schien er tief in Gedanken. Sie selbst, die Kinder, die Mägde und die Wachen gingen ihm aus dem Weg, weil er schnell aufbrauste. Niemand konnte in seiner Gegenwart etwas sagen, das in seinen Ohren nicht falsch klang. Anfangs dachte Floräte, diese Veränderung im Wesen ihres Mannes könnte von seinen Verwundungen herstammen. Einmal beobachtete sie, wie er aus der Truhe Riwalins goldene Kugel holte und sie anstarrte, als würde er etwas darin erblicken. Überhaupt führte er oft den Namen des verstorbenen Königs im Munde. Dann wirkte er seinen Leuten gegenüber wie abwesend. Zog er sich in den großen Saal zurück und wollte in Ruhe gelassen werden, besprach sich Floräte mit Linnehard und dem Kämmerer über die täglichen Geschäfte in der Burg.
Rual saß währenddessen über seinem »Buch T«. Langsam las er Zeile für Zeile darin und hob oft den Kopf, weil er sich darüber wunderte, dass er das alles geschrieben haben sollte und vieles andere, das noch in seiner Erinnerung war, gar nicht darin vorkam.
Riwalin, mein Herr und König, las er, die Worte vor sich hin murmelnd, Riwalin befahl, nachdem das Schiff fertig war und getakelt im Hafen lag, dass es mit Proviant für mindestens eine ganze Mondphase beladen wurde. Darunter war nicht nur Haltbares wie Hafer oder Gesalzenes, sondern auch frisches Obst und Fleisch. Am selben Tag hörte er davon, dass ein bekannter Troubadour auf einer Burg im Landesinneren angekündigt war, ließ sein Pferd satteln und ritt davon. Tage später kehrte er zurück, ging voller Freude und Elan auf sein Schiff und fand all die frisch angelieferten Waren verdorben vor. Als wüsste er nichts mehr von seiner eigenen Anordnung, schimpfte er mit dem Capitan und ließ alles neu beladen. Nur zwei Tage später ritt er fort zu einem Turnier, von dem er, wie auch sonst immer, als Sieger zurückkehrte. Und wieder ließ er das Verdorbene ersetzen durch Frisches. So ging das ein gutes Dutzend Mal. Niemals schien er darüber nachzudenken, dass er selbst der Grund war, aus dem Verwirrung entstand und Gold und Silber ins Meer geworfen wurden zusammen mit dem verdorbenen Fleisch. Immer sah ich ihn gut gelaunt, immer aufbruchsbereit, das große Abenteuer zu suchen. Das erhoffte er sich nur jenseits des Meeres. Aber er wusste nicht, wo.
Rual schlug die Seite um und seufzte. Einige Male hatte er seinen Herrn zu solchen Turnieren begleitet. Das waren oft recht ärmliche festivale. Ein paar Zelte waren aufgebaut, in denen die Ritter auf einfachen Pritschen schliefen und
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