Tristan
mitzugeben, und verabschiedete sich. Marschall, rief er mir zu, ich habe wichtige Dinge zu erledigen. Seht zu, dass ich noch heute Nacht darüber mit Euch sprechen kann. - Geht nur, geht!, beruhigte ich ihn, es ist schon alles vorbereitet! Einen Moment lang sah er mich fragend an, dann verstand er, trat auf mich zu, umarmte mich und verließ den Saal.
Der Abschied ~28~ Floräte Vellaron
In dieser Nacht schlief keiner von uns beiden. Wir ritten zum Hafen, er stürmte auf sein Schiff, und als er es gut gerüstet und zum Auslaufen bereit sah, traten ihm Tränen in die Augen. Seinen Dank flüsterte er mir ins Ohr, seine Hände umschlangen meine Schultern, wie Männer ihre Frauen umarmen. Ich gab ihm die Liebe zurück, die ich für ihn empfand, und drückte ihn an mich wie einen Bruder. Kaum graute der Morgen bei günstigem Wind, schob sich das Schiff in langsamer Fahrt aus dem Hafen. Riwalin stand am Heck, winkte mir zu, lachend, mit wehenden Haaren, und ich glaubte, direkt in seine hellen klaren Augen zu blicken, Augen voller Hoffnung, Zukunft und Sehnsucht danach, zu lieben und geliebt zu werden. Als die Beneventa die Segel setzte und aufs Meer hinaustrieb, wendete ich mich ab. Ich weinte wie ein Kind, der stockende Atem schüttelte mir die Brust. Da sprach mich jemand an, eine ruhige, besorgte Frauenstimme. - Mein Herr, was ist mit Euch?, fragte sie. - Nichts ist, nichts, antwortete ich, das Gesicht noch mehr abwendend, denn ich ahnte, dass ich meinen Freund Riwalin nie wieder so sehen würde. Von nun gäbe es nur noch eine Erinnerung an ihn, an meinen König. - Euch ist kalt, stellte die Stimme neben mir fest, hier habt Ihr meinen Schal. - Ich spürte, wie mir etwas um die Schulter gelegt wurde, drehte mich um und sah in das Gesicht einer jungen Frau mit aufgelöstem Haar, das sie halb unter ihrem Kopftuch verborgen hatte. Ihr Name war Floräte Vellaron.
Angekommen ~29~ Der Knappe Bodan
Riwalin brauchte vier Tage,bis er an der Küste von Cornwall an Land ging. Einen Tag allein brauchte seine Mannschaft, um einen Holzsteg zu bauen, über den die Pferde sicher vom Schiff geführt werden konnten. Kaum war dies geschehen, brach er auf. Da er den Weg nach Tintajol nicht kannte, nahm er einen Führer, einen jungen Britannier, der ein völlig überhöhtes Salär verlangte. Riwalin musste sich wohl oder übel auf die Forderung einlassen und trieb seine Leute an, die Pferde und die beiden Lasttiere zu beladen. Es ging bergan und bergab, durch dichte Wälder, flache Wiesen, über steinige Pfade und durch sumpfige Ebenen. Riwalin achtete nicht darauf. Er sah sich im Geiste Turniere bestehen. Endlich glaubte er gefunden zu haben, wonach er so lange gesucht hatte.
Als der kleine Trupp Tintajol erreichte und Riwalin die Burg auf der Anhöhe liegen sah, jauchzte sein Herz. Er schickte Bodan, einen seiner Knappen los, um ihn anzukündigen. »Geh direkt zu König Marke«, schärfte er ihm ein, »lass dich nicht abweisen, sag, sein treu ergebener Lehnsmann, der König von Parmenien, sei übers Meer gekommen und habe ein Geschenk mitgebracht.«
Riwalin sah den Knappen wegreiten und erwartete, dass er, nachdem er hinter der ersten Wegbiegung seinem Blick entschwunden war, gleich wieder erscheinen würde, um ihn zu Marke zu bringen. Aber Bodan kam eine lange Zeit nicht zurück. Riwalin wurde unruhig. Den Führer hatte er längst entlassen und ihn insgeheim verflucht, weil er ihm zwei Mark geben musste. Riwalin hielt seine Versprechen, jeder andere hätte dem Jungen ein paar Pfennige vor die Füße geworfen und ihn zum Teufel geschickt. Dann hatte er die Pferde von ihren Lasten befreien lassen. Inzwischen ging es auf den Abend zu. Und Riwalin war nahe daran, auf der Stelle zwei Zelte aufbauen zu lassen für die Nacht, als Bodan endlich erschien.
»Wo bist du so lange geblieben?«, herrschte er ihn an und griff« in die Kandare des Pferdes, um es zur Ruhe zu bringen. Bodan sprang ab und schien völlig atemlos, als wäre er den ganzen Weg gelaufen.
»Herr, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was ich gesehen habe«, brachte er japsend hervor. »Eine riesige Wiese voll von Zelten, rot und blau, grün und gelb, als würden Blumen dort stehen. Herrliche Pferde, Knappen, die silberne Rüstungen putzen. Junge Frauen …« Bodan stockte, als würde eine von ihnen auf ihn zukommen.
»Warst du bei König Marke?«
»Natürlich nicht, mein Herr!« Bodan schluckte und trat einen Schritt zurück. »Der König ist auf der Burg mit
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