Tristan
ihre Rüstungen unterbrachten, während die Knappen meist im Freien nächtigen mussten. Abends hockte man zusammen am Feuer, erzählte lauthals von Abenteuern und Drachenkämpfen, die wohl alle erfunden und erdacht waren. Wein und Bier waren nicht selten ungenießbar, erzeugten Durchfall und Magenverstimmungen, und am nächsten Morgen saßen die müden Helden auf ihren klapprigen Rössern und stürmten gegeneinander an, dass Tier und Mensch einem dabei leidtun konnten.
Aber Riwalin ließ sich nicht abhalten von solchen Bedingungen. Er musste sich mit anderen messen, musste die Gegner aus dem Sattel werfen und wurde nicht ein einziges Mal besiegt. Es geschah sogar, dass er vorzeitig ein Turnier verließ, weil niemand sich traute, gegen ihn anzutreten. Kampflos wurden ihm Wimpel und Fahnen ausgehändigt, mit denen er seine Pferde und die seiner Knappen schmückte, um reich beladen nach Conoêl zurückzukehren. Rual, seinen Freund, wollte er eigentlich immer bei sich haben, doch der Marschall fand oft gewichtige Gründe, die ihn wohl zwangen, auf der Burg zu bleiben. Die beste Ausrede war immer der Bau des Schiffes gewesen, um den er sich kümmern musste. Das akzeptierte Riwalin sofort. Doch dann war das Schiff fertig, dümpelte im trägen Wasser des Hafens, war sicher vertäut und klar zum Auslaufen.
Wir alle sahen, las Rual und fuhr mit dem Finger die Zeile entlang, die Unruhe in Riwalin. Er wollte weg, ohne zu wissen, wohin. Je länger das Schiff im Hafen lag, je nutzloser es uns in seiner Schönheit erschien, desto launiger wurde unser König. Er wollte sein Vergnügen, seine Abenteuer, einen Kampf ohne Feind, einen Beweis für die Schönheit der Turniere. Aber überall an den Küsten gab es Kriegsgebiete. Boote und Schiffe, unterwegs nach Asturien und Italien, waren oft voll besetzt mit Soldaten oder mit Nachschub zur Versorgung von Truppen. Das war ein rastloses Hin und Her bei jedem Wetter, keine Vergnügungsfahrt unter blauem Himmel. Riwalin jedoch, dieser Schöngeist, verabscheute den Krieg und suchte gleichwohl den Kampf. Er wusste noch nicht, dass jeder Kampf ein Krieg ist und jeder Krieg im Kampf endet.
Pilger nach Rom ~27~ Geheime Vorbereitungen
Ausgerechnet am Ende des Sommers, als nicht mehr lange auf die ersten Herbststürme zu warten war, erreichte durch eine Gruppe von Mönchen, die sich auf dem Pilgerweg zur Insel San Michele befanden, Conoêl die Nachricht, in Tintajol, dem Sitz König Markes von England, des Lehnsherrn Parmeniens, solle noch im September ein großes Turnier ausgetragen werden. Ritter aus allen Gegenden der Festlande seien schon seit Langem dorthin unterwegs. Als Rual davon hörte, wusste er sofort, was geschehen würde.
Solange ich konnte, hatte er notiert, hielt ich die Meldung von Riwalins Ohren fern. Ohne zu überlegen, würde er sonst auf seine Beneventa stürmen und in See stechen. Ich bereitete im Stillen alles vor, instruierte die Mannschaft, ließ neue Verpflegung an Bord bringen, vier der besten unserer Pferde, seine glänzenden Rüstungen, genug Schwerter, Speere, Pfeile, Bögen und Lanzen, dazu zwei Zelte, Liegen, Kissen, Felle. Das Schiff sank unter seiner Last tiefer ins Wasser, aber es lag ruhig und war für die Überfahrt gewappnet. Auch unter den Knappen suchte ich die besten aus und ließ sie an Bord gehen, bevor mein König noch ahnte, dass er schon bald neben ihnen stehen würde, um nach Britanniens Küste Ausschau zu halten. Die Winde waren günstig, alles war bereit. Aber er, Riwalin, sollte selbst die Entscheidung treffen, dorthin an Markes Hof zu fahren. So geschah es, wie ich es vorausgesehen hatte. Am Abend, bevor sie weiterzogen, hatte ich die Mönche hier in den Großen Saal eingeladen zu einem Abschiedsmahl. Riwalin hatte ich hinzugebeten, obwohl ich wusste, dass er von den Papstgläubigen nicht viel hielt und sie Maden nannte, die immer nur den Speck suchten. Doch er kam, wie es seine Art war, aus Höflichkeit und verhielt sich freundlich und respektvoll. Ich lenkte das Gespräch von Rom weg nach Tintajol, und die Mönche plauderten brav aus, was Riwalin hören sollte. Schon als die ersten Worte fielen: Turnier… von überall her … nur die besten Ritter … der Sieger … den Schleier der Königsschwester… die goldene Kugel… - da war Riwalin nichtmehrzu halten. Seine Augen leuchteten, er sprach immer wieder den Namen seines Schiffes wie ein Zauberwort aus, ließ noch Wein in Schläuchen kommen, um sie den Mönchen auf ihren Weg
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