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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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niedergeworfen, weitergetragen, auf den Rücken gedreht und so lange mitgeschwemmt, bis er auf einem Bett aus Kieseln liegen blieb. Das Wasser leckte noch einmal an seinem Körper, umspülte seine Beine - dann zog es sich zurück und blieb fern. Nur sein Rauschen und Klatschen war zu hören, das Poltern und Toben, das sich wie ein grölender Triumph anhörte und zugleich wie eine wütende, todbringende Drohung.
    Angst ergriff Tristan. Er raffte sich auf, stolperte über den kurzen Strand, drückte sich an kalt schimmernden Felsvorsprüngen vorbei und gelangte, taumelnd und wie ein Blinder um sich tastend, zu einer Felsnische, auf der sich schwammiges Moos abgesetzt hatte. Dort ließ er sich nieder. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen. Zitternd am ganzen Leib spürte er gleichwohl eine Art Zufriedenheit in sich, die ihn von innen her wärmte. Eine Welle krachte gegen einen Felsen, zerstob in endlos viele Tropfen, von denen einige auf Tristan niederrieselten. Er zuckte zusammen, spürte aber, dass er sich in seiner Felsenkuhle sicher fühlen konnte, zog die Knie gegen den Leib und senkte den Kopf in das schützende Kreuz seiner Arme.
     
    Auf festem Boden ~177~ König Markes Jäger
     
    Wie die Möwe das frühe Licht der noch kaum wärmenden Sonne in ihr Gefieder einlässt, so spürte Tristan am nächsten Morgen die Strahlen auf seinem Gesicht, als würde er durch vorsichtig tastende Finger geweckt. Noch benommen vom unruhigen Schlaf und den Strapazen, die er erlitten hatte, nahm er wahr, dass er sich auf festem Boden befand. Über ihm ragten Felsen auf, vor sich sah er eine schmale Bucht, eingegrenzt von Steinbrocken. Gegenüber dem gestrigen Tag schien aber das Wasser zurückgewichen zu sein, auch wenn es hinter dem Riff immer noch bedrohlich rauschte. Er brauchte sich nicht zu fürchten. Das beruhigte ihn.
    Den Hunger, den er verspürte, unterdrückte er, fuhr mit pelziger Zunge über seine aufgesprungenen Lippen und spürte, dass er trotz der aufsteigenden Sonne fror. Seine Kleider waren noch immer feucht und klamm, und selbst das schäumende Wasser hatte sie nicht von dem Schmutz befreien können, den sie in der Kammer unter Deck des Norwegerschiffes aufgesogen hatten. Jeder, dem er darin begegnete, musste ihn für einen Aussätzigen oder Bettler halten - dabei hatte sich doch Floräte solche Mühe gegeben, ihm für den Ausritt zum Hafen allerfeinstes französisches tissu auszusuchen. Seine Brüder hatten sich über seine Kleidung lustig gemacht, bis Rual sie zurechtwies und bemerkte, sie sollten ganz still sein und sich die Kinder der Leute im Hafen genau anschauen, was die am Leib trügen. Dagegen kämen sie doch daher wie in Samt und Seide, während Tristan nur anhabe, was ihm nach der langen Reise eben zustehe: ein bisschen Brokat, ein paar bestickte Borten, ein wenig Hermelin am Kragen und goldene Fäden, die im aufgestickten Ornament des Wappens eine gute Herkunft zeigten.
    Rual war stolz darauf gewesen, Tristan in solcher Pracht auf dem Pferd sitzen zu sehen. »Wer nicht zeigt, wer er ist«, hatte er Ludvik und Edwin zugerufen, »wird auch nie zeigen, was er kann. Merkt euch das. Auch ihr werdet eines Tages, wenn ihr ins Mannesalter gekommen seid, feines Zeug tragen. Noch aber seid ihr die jüngeren Brüder, und Tristan ist euer Herr!«
    Courvenal war gegen diese Rede mit leiser Zurückweisung eingeschritten. Rual, meinte er, sollte die Brüder nicht auseinandertreiben, wo Tristans Vorsprung gegenüber ihnen doch jetzt schon so groß sei, vor allem was die geistigen Fähigkeiten betreffe.
    »Mischt Euch nicht ein!«, war Ruals barsche Antwort. »Das sind Angelegenheiten unter Verwandten. Ich weiß, wovon ich spreche. Auch wenn wir alle oberste Fürsten wären, müssten wir trotzdem zu Tristan aufschauen wie zu einem König. Und einem König gebührt eine Rüstung, die ihn von seinen Untertanen unterscheidet…«
    »Darunter aber sind wir alle gleich«, warf Courvenal lachend ein.
    »Sind wir nicht!«, erwiderte Rual, und in seiner Stimme klang Entrüstung mit, als wäre er beleidigt worden. »Anmut ist ein Kleid, das uns die Natur schenkt. Goldbrokat und Seide schimmern darin nur fort. Wäre dem nicht so, hätte die Menschheit solchen Schmuck nicht erschaffen, und alle, um sich gleichzumachen, würden im dunklen Braun mönchischer Gewänder herumlaufen, als hätte Gott nur Asche über die Welt gestreut.«
    Tristan erinnerte sich dieses dialogus zwischen seinem Vater und seinem Lehrer, als er eben diese

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