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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Kleider, die darin beschrieben waren, vom Körper streifte. Sie lagen wie ein Haufen bunter und zugleich besudelter Stoffreste vor ihm, zerschlissen und abgewetzt. Auch seine Hosen aus Leinen und sein Hemd aus grünem Gewebe sahen schäbig aus. Er nahm, nackt wie er war, alles mit sich, und wusch, so gut er konnte, in der Meerwasserlache einer Kuhle am Strand all den Schmutz und die Erniedrigung aus, die er auf dem Schiff der Norweger zusammen mit Courvenal erfahren hatte.
    Courvenal - wo mochte der gerade sein? Tristan wagte es nicht, seinen Vorstellungen zu folgen, betäubte seinen Geist, indem er in einen monotonen Gesang rein lautlicher Wörter verfiel, die keinen Sinn hatten. »Möns ad item, item versis, lactus cella, citrus bella«, reimte er, sponn sich ein in die Lautmalerei, wusch und schrubbte die Kleidungsstücke und breitete sie auf flachen Felsen zum Trocknen aus.
    Da er nichts anderes mehr zu tun hatte, als darauf zu warten, sich wieder anzukleiden, setzte er sich mit dem nackten Gesäß auf einen Hügel aus Sand und vom Meer angeschwemmtem Geröll. Er begann, darüber nachzudenken, was als Nächstes zu tun war. Wo er sich befand, wusste er nicht. Ebenso wenig, wo er hinwollte. Woher er kam, verrieten einzig und allein seine Kleider. Vom gröbsten Unrat hatte er sie befreit. Weil Kleider, wie er auf seiner Reise bei den Alemannen gelernt hatte, die Leute, die sie tragen, eher verstellen als zeigen, entschied er, den schimmernden Rock, den glänzenden Mantel und den Gürtel aus geflochtenem Hirschleder in einem Bündel zu verbergen und sich nur in Hemd und Hose hinter den Klippen, die ihm den Blick verstellten, einen Weg zu suchen. Ich bin niemand, dachte er, als er sich aufmachte, weil niemand mich kennt. Zwar vermisste er Courvenal und seine Eltern, wusste aber zugleich, dass er sie in seinem Herzen trug und der Gedanke an sie ihm Kraft verlieh.
    Es war schon später Nachmittag. Ihn quälten Hunger und Durst. Über sich sah er einen Vogelschwarm und verspürte die Freiheit, die er ihm vorführte. Wie er es geschafft hatte, hoch über dem Meer die waldige Landschaft zu erreichen, die ihn plötzlich umgab, konnte er kaum begreifen. Aber er war froh darüber, denn der Wald gab ihm Schutz und Deckung.
    Auf dem Schiff hatten ihm die Norweger zuerst seine beiden Taschen, die er am Gürtel trug, abgenommen. Darin waren sein Dolch gewesen und ein paar Münzen, sein Handbüchlein, ein Geschenk von Courvenal, und ein Silberstift, den er einst auf einem Markt in Toledo gekauft hatte. Als ihn die Schiffsleute seiner Sachen beraubt hatten, schmerzte ihn der Verlust des Schreibzeugs am meisten. Doch nun, in unwegsamer Gegend, vermisste er den Dolch. Er hätte ihm zwar nicht geholfen, einen Weg durch das dichte Gestrüpp zu schlagen, wohl aber dabei, sich zu verteidigen, wenn ihn ein Tier anfiele.
    Im Wald verhielt er sich wie auf der Pirsch und achtete auf jeden Schritt, den er tat. Als Ziel suchte er sich stets die Stämme starker Bäume, um die herum am wenigsten Unterholz wucherte und die ihm auch den besten Schutz vor Angriffen von Ebern oder brünstigen Hirschen bieten konnten. Um seinen Hunger zu dämpfen, kaute er die Rinde junger Zweige oder die roten Stiele des rabarbaro. Er fand auch Erdbeeren und die schwarzen Früchte des holundras, die Erinnerungen an die Auwälder bei Speyer in ihm wachriefen. Wenn er auf Vertrautes in der Natur traf, atmete er auf. Bisweilen verharrte er in seinen Bewegungen und hielt dabei den Atem an, um besser lauschen zu können. Auf einer Anhöhe des Waldes stieß er auf eine Quelle, die seinen Durst löschte. Wie gern hätte er jetzt einen Lederschlauch bei sich gehabt, um das frische Wasser mit sich zu nehmen!
    Bevor ihn die einbrechende Dunkelheit daran hinderte weiterzugehen, suchte er sich einen Baum mit mächtigen Ästen, in deren Gabelung er einen sicheren Schlafplatz einrichten konnte. Vor Raubkatzen schützte ihn das nicht. Um nicht völlig unbewaffnet zu sein, nahm er einen festen Stock mit sich, der von einem abgebrochenen Ast stammte und durch den Bruch eine Spitze hatte. Aus frischen biegsamen Wurzeln flocht er notdürftig eine Art Strick zusammen, den er um den Ast, auf dem er schlafen wollte, und um seinen Leib schnürte, damit er im Schlaf nicht abrutschen konnte.
    Nie zuvor hatte Tristan ein unbequemeres Lager als in dieser Astgabelung.
    Nur die völlige Mattheit, die er verspürte, ließ ihn einschlafen und erst wieder am Morgen erwachen, als einzelne

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