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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Sonnenstrahlen durch die Baumkronen schienen. Der Schlaf hatte ihn gekräftigt. Von großen flachen Blättern leckte er den Tau. Frische Rinde kauend, tastete er sich weiter durch den Wald, machte öfter an geschützten Stellen Rast und stieß, als es schon weit nach Mittag sein musste, auf einen Pfad, der von Tieren oder auch Menschen stammte.
    Der Wald lichtete sich an einer besonders steinigen Stelle. Da hörte er plötzlich die Stimmen zweier Männer. Sie sprachen in einem gemeinsamen, monotonen Gesang lateinische Verse vor sich hin, woran Tristan gleich erkannte, dass es sich um Pilger handeln musste. Weil von solchen frommen Leuten nichts zu befürchten war, setzte er sich an den Wegrand und wartete, bis sie bei ihm anlangten, stand auf und zeigte sich ihnen. Da sie keinen Argwohn hatten, erschraken sie nicht, bemerkten aber gleich, dass ihm etwas zugestoßen sein musste.
    »Ich habe mich verirrt«, sagte Tristan. »Die Jagdgesellschaft, mit der ich unterwegs war, verlor ich, als ich einem Hirsch folgte, der mich immer tiefer in den Wald lockte. Dann strauchelte mein Pferd, ich rollte einen Hang hinunter, dorniges Gestrüpp zerriss mein Kleid, und nun bin ich schon zwei Tage und Nächte unterwegs, um meine Mannen wiederzufinden. Euch hat Gott mir geschickt, denn ich weiß nicht einmal, in welcher Grafschaft ich mich befinde.«
    Die beiden Männer, die doppelt so alt sein mochten wie Tristan, nahmen sich gleich seiner an und gaben ihm von dem Wenigen, was sie selbst besaßen, zu essen und zu trinken. Da sie nun in ihrer Sprache redeten, schloss er daraus, dass er sich in Britannien befinden musste, und so erzählten sie ihm von ihrem nächsten Ziel, von der Burg Tintajol, der Burg König Markes, des Fürsten von Cornwall. Sie dorthin zu begleiten brauchten sie Tristan nicht lange zu bitten. Nun gingen sie zu dritt den Pfad entlang, der sich erneut in dichtem Wald verlor. Doch die Pilger schienen an Zeichen und Markierungen, an kleinen Steinhaufen und Einritzungen in den Rinden alter Bäume zu erkennen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden. Sie verminderten kaum ihren Schritt, bis plötzlich Hundegebell zu hören war und die Rufe von Reitern durch den Wald schallten. Ein Horn wurde geblasen.
    »Königliche Jäger!«, sagte einer der Pilger und blieb stehen.
    »Meine Jäger!«, fiel ihm Tristan fast ins Wort und spielte ihnen Freude vor, dass er seine Mannen wiedergetroffen hatte mit ihrer Hilfe.
    »Mit Gottes Hilfe!«, sagte der andere Pilger.
    »Mit welcher Hilfe auch immer«, rief Tristan aus, »ich muss schnell zu ihnen zurück, denn sie werden sich Sorgen machen um mich. Ich danke euch frommen Männern. Geht euren Weg, geht ihn mit Gott. Vielleicht werden wir uns einmal wiedersehen, dann will ich euch für eueren Dienst reich belohnen.«
    Obwohl er nicht einmal ahnen konnte, was ihm als Nächstes begegnen würde, war er froh, die beiden unter einem Vorwand verlassen zu können. Er eilte fort in den Wald, den Stimmen und dem Bellen der Hunde entgegen. So kam er an den Rand einer Lichtung, auf der sich eine Gruppe von Jägern versammelt hatte. Die Männer standen im Kreis um etwas herum, das er aus der Entfernung nicht erkennen konnte. An ihrer Sprache hörte er, dass auch sie Britannier sein mussten. Nun wusste er ganz sicher, in welchem Land er sich befand, denn dass Pilger gerne mcere erfanden, hatte er schon oft genug erlebt. Schließlich war die Mär ihr Ziel.
    Das Gebell der Hunde brachte ihn zu sich selbst zurück. Sie waren abseits von den Jägern unweit der Pferde an Pflöcken angebunden.
    Die Männer stritten sich darum, wer »das Tier« zerteilen sollte, welche Stücke man bei Hofe abliefern und welche für sich behalten wollte. Da wusste Tristan sofort, was er zu tun hatte.
    Er trat hinter dem Gebüsch hervor und lief auf die Männer zu. Zugleich rief er übertrieben freudig aus, wie froh er sei, sie gefunden zu haben. Die Jäger erschraken, einige griffen sogar zu ihren Jagdschwertern, die anderen blickten den Jüngling, der da, nur mit Leinenhose und einem grünen feinen Hemd bekleidet, wie aus dem Nichts gekommen vor ihnen stand, misstrauisch an. Er redete in ihrer Sprache, wenn auch mit fremdem Akzent.
    »Wer bist du, und woher kommst du?«, wollte einer der Jäger wissen, der wohl der Anführer war.
    »Ich bin aus dem Süden«, log Tristan und ließ sich, den Erschöpften und Hilfesuchenden spielend, auf einen Stein nieder. »Mein Name ist Tristan, den hat mir meine normannische Mutter

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