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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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verwundert.
    Bevor Tristan darauf antworten musste, wurden sie schon von den ersten Jägern unterbrochen, die eilig zu ihnen zurückgekehrt waren. Lebuin wusste nicht recht auf ihre Fragen zu antworten, warum er das Signal gegeben habe, und befahl ihnen kurzerhand, alles zu tun, »was euch unser neuer Freund Tristan befiehlt«.
    Da sie noch einen langen Weg bis zur Burg hatten, blieb Tristan Zeit genug, die Mannschaft neu aufzustellen, die Pferde umzusatteln, die Beute gleichmäßig zu verteilen, und Hench, einen der Jagdknappen, der ihm klug genug dafür erschien, ein paar Worte einzuprägen, damit er vorausritt und ihre Ankunft ankündigte.
    Als sie schließlich in paarweiser Aufstellung der Pferde durch das erste und zweite Tor der mächtigen weißen Burg von Tintajol schritten, die Jagdleute und Knappen ihre Pferde führten, Hench voran mit dem noch immer stolz und widerspenstig wirkenden, zwölffach geendeten Kopf des Hirsches auf dem Pferderücken, wurden sie von einer Menge von Leuten empfangen, die ihnen zujubelte, als begrüßte sie einen hohen Gast. Auf dem Altan des Haupthauses standen König Marke und seine Reiter und fragten sich, was diese Prozession zu bedeuten hatte.
    Da gab Tristan ein Zeichen, dass der Zug halten sollte, und hob das Horn, das Lebuin ihm geliehen hatte, an die Lippen. Er blies einige Weisen und Melodien, die zuvor in den Mauern von Tintajol noch nie gehört worden waren. Da an diesem Tag die Sonne gerade ihre letzten Strahlen in den Hof warf, erschien seine Gestalt auf dem Pferd wie beleuchtet. Um nicht völlig wie ein Jäger zu erscheinen, hatte er sich seinen Mantel umgeworfen, dessen Brokatfäden im Licht glitzerten, ohne dass man von Weitem hätte sehen können, wie zerschlissen und aufgerissen er an manchen Stellen war.
    Marke war so erstaunt, dass er sogleich allen befahl, ihm hinunter auf den Hof zu folgen. Dort bewunderte er die Jagdbeute und wie sie arrangiert war. Er beglückwünschte Lebuin zu seinem außergewöhnlichen Geschick und wandte sich zuletzt an Tristan, der mit elegantem Schwung vom Pferd abgesessen war.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Marke, als hätte er einen Ritter oder Fürsten vor sich.
    Tristan machte eine angemessene Verbeugung, ließ dabei den Mantel von den Schultern gleiten, stand nun mit gesenktem Kopf und in einfacher Jägerkleidung da und antwortete knapp: »Euer Diener.«
    Marke war beeindruckt und konnte nicht anders, als den jungen Mann bei der Schulter zu fassen und ihn aufzurichten, sah ihm in die strahlenden Augen, die ihm vertraut und neugierig vorkamen wie seine eigenen. Ein Blick traf ihn, den er liebte und der ihn deswegen verwirrte.
    »Wer bist du?«, wiederholte Marke leise.
    Da kniete Tristan nieder und nannte seinen Namen. Er blieb auf den Knien und hielt seinen Kopf gesenkt, solange er konnte, damit der König nicht die Tränen sah, die sich in seinen Augen gesammelt hatten. Denn kaum war er dem Blick dieses Mannes begegnet, wusste er, dass sie für immer miteinander verbunden sein würden.
    »Erhebe dich, steh aufl«, hörte er Marke sagen und seinem Truchsess befehlen, die Rückkehr der Jäger solle gefeiert und ein neuer Freund auf Tintajol begrüßt werden, dessen Namen man nicht mehr vergessen solle, weil bisher keiner so schön das Horn der Jäger geblasen habe.
    Als er sich aufrichtete, hatte Tristan kurz Gelegenheit, sich unbeobachtet die Tränen von den Wangen zu wischen. Er tat es mit dem Gefühl der Ernüchterung. Denn bislang hatte er den Eindruck, man wolle ihn nur in die höfische Gemeinschaft aufnehmen, weil er eine Kunstfertigkeit beherrschte. Da reizte es ihn mit einem Mal, dem König zu offenbaren, wer er wirklich war, der Sohn eines Marschalls, der an Königs statt über ein wunderbares Land jenseits der Küste regierte. Doch was mochte in diesem Kreis von Edlen in pelzbesetzten Gewändern schon der Sohn eines Burgverwalters gelten? Konnte er denn nicht froh sein nach alldem, was er erlebt hatte, neben einem König zu stehen, der ihn noch in derselben Nacht zum Anführer seiner Jäger bestimmen würde? Die Sonne war, nachdem er aus dem dunklen Schiffsloch der Norweger gekrochen, nur ein paarmal im Meer untergegangen, und schon war er ein angesehener Mann, der gerade erst siebzehn Jahre zählte, an einem der wohlhabendsten Höfe Britanniens, ein Untertan König Markes.
    Lebuin beglückwünschte ihn als Erster. Eardweard verhielt sich diesem ungewöhnlichen Aufstieg gegenüber eher zurückhaltend. Er machte auch seine

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